Rheinische Post - Xanten and Moers
Deutsche Industrie erleidet herben Auftragseinbruch
BERLIN (rtr) Die deutsche Industrie hat im November wegen der starken Zurückhaltung ihrer ausländischen Kunden den größten Auftragseinbruch seit mehr als einem Jahr erlitten: Die Bestellungen fielen um 5,3 Prozent geringer aus als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Dazu hätten vor allem ausbleibende Großaufträge beigetragen, weil viele Unternehmen wegen steigender Zinskosten, Rezessionsgefahr, hohen Energiekosten und geopolitischen Unsicherheiten wie dem russischen Krieg gegen die Ukraine größere Ausgaben scheuten, hieß es.
Der Absturz kommt dennoch auch für Fachleute überraschend: Im Vorfeld befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang von 0,5 Prozent gerechnet, nach einem Wachstum von 0,6 Prozent im Oktober. „Der Auftragseingang hat damit das niedrigste Niveau seit Juli 2020 erreicht“, so das Statistikamt.
Ein Einbruch der Produktion droht Experten zufolge aber trotz des schwindenden Neugeschäfts nicht, da die deutsche Industrie auf dicken Auftragspolstern sitze. Wegen Materialengpässen konnten diese in den vergangenen zwei Jahren nicht wie gewohnt abgearbeitet werden. So wuchsen die realen Umsätze in der Industrie, die stark mit der Produktion zusammenhängen, im November sogar um 2,1 Prozent zum Vormonat. „Angesichts der schwächeren Auftragseingänge und der Belastung durch die hohen Energiepreise mag deshalb die Produktion in den kommenden Monaten zwar fallen, ein Einbruch ist aber unwahrscheinlich“, sagte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen.
Die Entwicklung zeigt dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge allerdings, „dass die Industrie einen schwierigen Winter durchläuft, auch wenn sich die Geschäftserwartungen der Unternehmen zuletzt verbessert haben“. Auch der Deutsche Industrieund Handelskammertag (DIHK) zeigt sich eher pessimistisch: „Gefüllte Auftragsbücher waren viele Monate ein Lichtblick für viele Unternehmen. Diese Polster schmelzen nun immer mehr weg“, sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. „Eine Winterrezession rückt damit näher.“
Die maue Weltkonjunktur, Materialmangel und die Energiekrise setzen der Industrie derzeit zu. Die Klagen in der Branche über fehlende Materialien haben im Dezember allerdings den dritten Monat in Folge abgenommen – und das deutlich: 50,7 Prozent der Unternehmen litten noch darunter, nach 59,3 Prozent im November, wie das Münchner Ifo-Institut herausfand. „Eine Auflösung der Engpässe scheint sich nun in vielen Branchen abzuzeichnen“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. „Dies wird die Konjunktur in den kommenden Monaten stützen“, so seine erklärte Hoffnung.
„Eine Winterrezession rückt damit näher“
Jupp Zenzen Konjunkturexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag