Rheinische Post - Xanten and Moers

Wo ist Heimat?

- VON GREGOR THOLL

Für viele Leute klang der Begriff lange Zeit altbacken, wenn nicht sogar problemati­sch und politisch aufgeladen. Doch er hat seit Jahren wieder Konjunktur. Eine neue Umfrage zeigt, was die Erwachsene­n am ehesten unter ihm verstehen.

BERLIN (dpa) „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“, textete Herbert Grönemeyer – aber laut einer aktuellen Umfrage geben ihm da hierzuland­e viele nicht recht. 32 Prozent der Erwachsene­n in Deutschlan­d stimmen der Aussage zu, Heimat sei da, wo sie aufgewachs­en seien. 29 Prozent wählen die Option „Wo ich derzeit lebe“und 27 Prozent „Wo für mich wichtige Menschen leben“. Der Rest fand keine Aussage davon passend. So ergab es jetzt eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov.

Männer (37 Prozent) denken eher an den Ort ihres Aufwachsen­s als Frauen (26 Prozent). Frauen (33 Prozent) geben dagegen öfter die gefühlsbet­ontere Antwort mit den wichtigen Menschen – bei Männern tun dies lediglich 21 Prozent.

Je älter die Befragten, desto mehr wird der Ort, an dem gerade gelebt wird, als Heimat bezeichnet

Je älter die Befragten, desto mehr wird der Ort, an dem gerade gelebt wird, als Heimat bezeichnet. Jüngere mit weniger Lebensjahr­en tendieren überdurchs­chnittlich mehr zum Ort ihrer Kindheit und Jugend als Heimat – bei den 18- bis 24-Jährigen sind es 35 Prozent.

Auch im Osten (38 Prozent) sind es überdurchs­chnittlich viele Leute, die sagen, Heimat sei dort, wo sie aufgewachs­en seien. Im Westen der Bundesrepu­blik sind es 30 Prozent. Der Westen zeigt sich dabei übrigens auffällig gleichmäßi­g dreigeteil­t: Ebenfalls 30 Prozent dort sagen „Wo ich derzeit lebe, ist Heimat für mich“. Und 28 Prozent wählen die Option „Wo für mich wichtige Menschen leben“.

Vor allem in der alten Bundesrepu­blik dürften manche beim Wort Heimat nach wie vor an Heimatfilm, Heile-Welt-Kitsch, Lederhosen, Dirndl, Bohnerwach­s und Spießigkei­t denken. Der Zeitgeist war dort lange Zeit nach den 68ern eher skeptisch gegenüber dem vermeintli­ch reaktionär­en Konzept von Heimat, das nah zu sein schien an den aus der Nazi-Zeit belasteten Begriffen wie „Nation“, „Vaterland“, „Volk“.

Heimat kann aber wohl für Millionen Menschen auch Familie, Freundscha­ft, Geborgenhe­it bedeuten, frisch gebackener Kuchen von Oma oder der Geruch gemähter Wiesen. Es ist der Ort, wo man sich wohlfühlt, wo einem das Herz klopft, wenn man sich dem Ort nach längerer Abwesenhei­t wieder nähert, wo Leute gleicher Gesinnung freundlich zu einem sind, wo das Volksfest mit viel Spaß steigt.

Laut „Duden“ist Heimat ein „Land, Landesteil oder Ort, in dem man (geboren und) aufgewachs­en ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt“. Das Wort sei oft „gefühlsbet­onter Ausdruck enger Verbundenh­eit gegenüber einer bestimmten Gegend“.

Das Wort war in bestimmten, oft großstädti­schen Milieus lange verpönt – außer vielleicht, wenn der Filmemache­r Edgar Reitz es in der Familien-Saga „Heimat“benutzte. Schon seit mehreren Jahren erlebt der Begriff aber ein großes Comeback. Das Bundesinne­nministeri­um trägt den Begriff seit bald fünf Jahren im Titel. Im März 2018 wurde es um den Bereich Bauwesen erweitert und in „Bundesmini­sterium des Innern, für Bau und Heimat“umbenannt. Im Dezember 2021 ordnete Bundeskanz­ler Olaf Scholz an, das Ministeriu­m in „Bundesmini­sterium des Innern und für Heimat“umzubenenn­en.

 ?? FOTOS: DPA (3)/MARKUS VAN OFFERN/SAUERLAND-TOURISMUS/JENS ICKLER ?? Von links nach rechts, oben nach unten: Wildgänse und Weiden in Kleve, Unwetter über einem Feld im sächsische­n Großschirm­a, Wandern im Sauerland, am Ostseestra­nd von Binz (Mecklenbur­g-Vorpommern), die Seilbahn an der Zugspitze und die Skyline Berlins.
FOTOS: DPA (3)/MARKUS VAN OFFERN/SAUERLAND-TOURISMUS/JENS ICKLER Von links nach rechts, oben nach unten: Wildgänse und Weiden in Kleve, Unwetter über einem Feld im sächsische­n Großschirm­a, Wandern im Sauerland, am Ostseestra­nd von Binz (Mecklenbur­g-Vorpommern), die Seilbahn an der Zugspitze und die Skyline Berlins.
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