Rheinische Post - Xanten and Moers
Nächster Halt – Abbruchkante Lützerath
Schon seit 2014 organisiert Kerstin Ciesla aus Duisburg Busfahrten, die Demonstranten ins Rheinische Revier bringen. Nun fährt sie am Samstag ein letztes Mal nach Lützerath.
Wie wichtig es ist, dass ein Bus die Leute zur Demo fährt, merkte Kerstin Ciesla, als sie gegen die Raketen der Nato auf die Straße ging. 1983 stimmte der Bundestag für die Stationierung der umstrittenen Pershing II in Deutschland. Nuklear bestückte Mittelstreckenraketen sollten die atomare Abschreckung des Westens gegen die Sowjetunion sichern. In der Bevölkerung gab es erheblichen Widerstand gegen die Pläne, die Angst vor einem drohenden Atomkrieg war hoch. Im Bonner Hofgarten demonstrierten schließlich Hunderttausende, selbst Bundeswehrsoldaten kamen in Uniform.
Kerstin Ciesla war damals 16 Jahre alt und stellte sich die Frage: Wie kommt man günstig von Duisburg nach Bonn und wieder zurück? Ciesla stieß auf ein Angebot des Deutschen Gewerkschaftsbund. Der örtliche Verband fuhr die Demonstranten mit Bussen in die damalige Bundeshauptstadt, zum Höhepunkt der deutschen Friedensbewegung. Ciesla und viele andere konnten nur kommen, weil sich jemand um die Anreise der Demonstranten gekümmert hatte.
40 Jahre später ist es Ciesla, die diese Aufgabe übernimmt. Am kommenden Samstag will sie in Lützerath gegen die Räumung des Dorfes protestieren. Sie will zeigen, dass sie nicht einverstanden ist mit dem, was die Landesregierung und der Konzern RWE vereinbart haben, nämlich das Ende von Lützerath. „Der Kohle-Ausstieg muss kompatibel sein mit dem 1,5-GradZiel“, sagt Ciesla. Und dafür müsse die Kohle unter Lützerath unbedingt im Boden bleiben. Mehrere Umweltverbände und Klimagruppen haben für den 14. Januar eine letzte große Demonstration in der Nähe des Dorfes angemeldet. Ziel: Die Räumung
stoppen.
Ciesla, die sich in Duisburg beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) engagiert, hat für diesen Tag zwei Busse organisiert, die nach Lützerath fahren. Bereits nach wenigen Tagen waren alle 110 Plätze weg. „Ich habe nicht mal großartig Werbung für die Aktion gemacht“, sagt Ciesla. Angemeldet haben sich Schüler, BUND-Aktivisten und ganz normale Bürger, „von 17 bis 71 Jahren ist alles dabei“, sagt Ciesla. Verbreitet hat sich das Angebot vor allem in den sozialen Netzwerken. Wer mitfahren will, bezahlt einen solidarischen Preis. Das bedeutet: Wer es sich nicht leisten kann, zahlt nichts. Andere legen dafür 20 oder 30 Euro für die Fahrt dazu.
Ciesla war oft im Braunkohle-Revier, schon 2014 demonstrierte sie für den Erhalt der Dörfer und organisierte einen Bus . Damals, sagt sie, habe die Öffentlichkeit das Thema
noch nicht so stark wahrgenommen. „Mittlerweile ist das Interesse riesig.“Ciesla kämpfte für den Hambacher Forst, da waren es noch drei volle Busse, und immer wieder auch gegen schmutzige Energiepolitik, sagt sie. 2007 fuhr sie nach KrefeldUerdingen, um ein Steinkohlekraftwerk zu verhindern.
Einmal hat Ciesla sogar zusammen mit Mona Neubaur, der grünen NRW-Wirtschaftsministerin, demonstriert. Im Sommer 2021 war das, im Rheinischen Revier bildeten Tausende Aktivisten eine Menschenkette. Sie forderten einen Kohleausstieg bis spätestens 2030, ein Ende der Zwangsumsiedlungen und einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. „Ich bin stinksauer auf die Grünen“, sagt Ciesla. Die Partei argumentiere nun pro RWE und mache genau das Gegenteil von dem, was sie mal angekündigt habe. Ob Ciesla sie wählen würde? „Kein Kommentar“, sagt sie.