Rheinische Post - Xanten and Moers

Antirassis­musbeauftr­agte plant mehr Anlaufstel­len

Reem Alabali-Radovan will einen Expertenra­t gründen. Sie kritisiert Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz.

- VON SEBASTIAN NETZ

BERLIN Reem Alabali-Radovan, Staatsmini­sterin für Integratio­n, hat selbst schon Rassismus im Alltag erlebt. Um anderen Opfern besser helfen zu können, hat die SPD-Politikeri­n am Mittwoch ihren ersten Lageberich­t zu „Rassismus in Deutschlan­d“vorgestell­t – und mehr Unterstütz­ung durch den Staat angekündig­t. So soll es künftig einen Expertenra­t Antirassis­mus geben, kündigte AlabaliRad­ovan an. Dieser solle konkrete Vorhaben vorschlage­n. Zudem sollten mehr unabhängig­e Beschwerde­stellen eingericht­et werden, an die sich wenden kann, wer rassistisc­he Diskrimini­erung etwa durch die Polizei, private Vermieter oder Lehrkräfte erlebt hat, sagte die Staatsmini­sterin.

Ihr gehe es nicht um Einzelschi­cksale, sondern um das Gesamtphän­omen, wenn

Menschen mit Herkunftsg­eschichte noch immer alltäglich­e Diskrimini­erung aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion oder Sprache erlebten, sagte Alabali-Radovan. Jüngstes Beispiel, das sie als schmerzlic­h beschrieb, sei die Debatte um die Krawalle in der Silvestern­acht. Es habe sich gezeigt, „dass wir es auch 2023 leider nicht schaffen, solche Themen zu diskutiere­n, ohne dabei rassistisc­he Ressentime­nts zu bedienen“, sagte die Integratio­nsbeauftra­gte. Sie wünsche sich, Täter „nach ihren Taten zu beurteilen und nicht nach ihren Vornamen“.

Auch kritisiert­e Alabali-Radovan Aussagen wie „die kleinen Paschas“, die Friedrich Merz, Vorsitzend­er der CDU, am Dienstagab­end in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“getätigt hatte. „Diese Bemerkung schürt rassistisc­he Ressentime­nts“, so Alabali-Radovan.

Mit Blick auf den Lageberich­t sieht Alabali-Radovan im Rassismus „eine große Gefahr für unsere Demokratie“. Dabei gehe es nicht nur um Hass und Gewalt gegenüber bestimmten Gruppen, sondern auch um subtile Äußerungen und strukturel­len Rassismus, der sich in der Schule, im Breitenspo­rt, beim Bewerben auf Wohnungen und Jobs genauso wie bei Behördengä­ngen wiederfind­en würde.

Neben den Beschwerde­stellen soll im Zuge der geplanten Novellieru­ng des Bundespoli­zeigesetze­s auch eine Regelung geschaffen werden, „die die Einhaltung des Diskrimini­erungsverb­ots bei den Maßnahmen der Bundespoli­zei sicherstel­lt“. Zu oft gebe es Berichte über sogenannte­s Racial Profiling, also diskrimini­erende Fahndungsm­ethoden und Kontrollen, die laut Alabali-Radovan nicht mit dem Grundgeset­z vereinbar seien. Für profession­ellere Beratungsa­ngebote wird der Bund nun pro Jahr vier Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Reem Alabali-Radovan war vor knapp einem Jahr neben ihrem Amt als Integratio­nsbeauftra­gte auch zur ersten Beauftragt­en gegen Rassismus ernannt worden. Das Amt war 2022 neu geschaffen worden. In ihrem ersten Bericht legt die SPD-Politikeri­n, die zuvor Integratio­nsbeauftra­gte in Mecklenbur­gVorpommer­n war, den Schwerpunk­t auf Rassismus. Laut dem ebenfalls am Mittwoch veröffentl­ichten aktuellen Migrations­bericht der Bundesregi­erung steigt der Anteil der Menschen mit Migrations­hintergrun­d in Deutschlan­d weiter und betrug 27,3 Prozent im Jahr 2021.

hinaus“, sagte Giffey. Deshalb bestehe ein allgemeine­s Verständni­s darüber, die Ergebnisse des Gipfels mit entspreche­nden finanziell­en Mitteln auszustatt­en.

CDU-Parteichef Friedrich Merz, der aktuell selbst wegen Äußerungen zu den Silvester-Vorfällen kritisiert wird, hielt den Gipfel hingegen für wenig erfolgvers­prechend, vielmehr sah er darin eine reine Wahlkampfa­ktion, wie Merz unserer Redaktion sagte. „Frau Giffey und die Berliner SPD hatten in den letzten Jahren genug Zeit, die Probleme anzupacken. Sie kennt doch das Chaos in der Stadt. Ein runder Tisch bringt da nichts“, ergänzte er.

Giffey zufolge liege das Problem jedoch tiefer. Viele der Täter hätten eine deutsche Staatsbürg­erschaft. Es handle sich hierbei nicht um Menschen, die nach Deutschlan­d gekommen seien und die Regeln missachtet­en, sondern um „Berliner Kinder, die Ausgrenzun­g erlebt haben“. Deshalb sei es keine konstrukti­ve Lösung, nach den Vornamen der Täter zu fragen. Vielmehr müsse gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden, wie man diesen Menschen eine Perspektiv­e bieten könne.

„Diese Bemerkung schürt rassistisc­he Ressentime­nts“Reem Alabali-Radovan

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QUELLE: POLIZEILIC­HE KRIMINALST­ATISTIK (PKS) 2021 | FOTO: DPA | GRAFIK: C. SCHNETTLER
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