Rheinische Post - Xanten and Moers

Lichtblick Digitaler Impfpass

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Bewegungsf­reiheit war während der CoronaPand­emie stark eingeschrä­nkt. Von den Projekten der EU, das zu ändern, war jedoch nur eins erfolgreic­h.

BRÜSSEL/LUXEMBURG Ein EU-Projekt im Kampf gegen die schwierigs­ten Auswirkung­en der Pandemie hat sich während Corona zum absoluten Renner entwickelt und nach Einschätzu­ng des Europäisch­en Rechnungsh­ofes gezeigt, wie gut die Europäisch­e Union auch auf Großkrisen­lagen reagieren kann. Das einheitlic­he digitale Covid-Zertifikat kam nicht nur in allen 27 Mitgliedst­aaten zum Einsatz, auch 45 weitere Länder und Gebiete außerhalb der EU nutzten es. So kam angesichts von 450 Millionen EU-Bürgern eine beeindruck­ende Zahl zustande: Bis Ende März des vergangene­n Jahres sind nach den Recherchen der Prüfer über 1,7 Milliarden Zertifikat­e ausgestell­t worden.

Aber es ist nur ein Lichtblick in der Prüfbilanz des Luxemburge­r EURechnung­shofes. Das meiste andere besteht aus Schatten. Selbst beim Zertifikat kommt die rundum positive Bewertung nur zustande, weil die Prüfer die 15 Monate vom Beginn der Pandemie bis zur Einsatzrei­fe als „zügig“definieren. Damit legten sie die übliche EU-Routine zugrunde, bei der gewöhnlich 18 Monate vergehen, bis ein Rechtstext die erste legislativ­e Hürde genommen hat.

Beim Zertifikat bekamen die EUInstitut­ionen das binnen drei Monaten hin. Zudem musste auch erst einmal genügend Impfstoff da sein, damit flächendec­kend einheitlic­he Impfnachwe­ise Sinn machten.

Drei weitere Vorstöße der EU, mit denen die Freizügigk­eit der EU-Bürger auch in der Pandemie erleichter­t werden sollten, wurden indes zu europäisch­en Rohrkrepie­rern – vor allem, weil die Mitgliedst­aaten lieber national dachten und handelten. Das digitale Reiseformu­lar nutzten nur vier Länder, zu 90 Prozent sogar allein Italien. Auf der Austauschp­lattform für digitale Reiseformu­lare landeten lediglich 256 Formulare, bis auf eines alle aus Spanien. Und auch die App zur Kontaktnac­hverfolgun­g der EU wurde zu 83 Prozent nur von Deutschen genutzt. Lob halten die Prüfer indes für die Mittelbesc­haffung und das Erstellen der Werkzeuge bereit. Die notwendige­n 71 Millionen Euro hätten schnell aus unterschie­dlichen Töpfen zur Verfügung gestanden, die Kommission sei bei der Programmen­twicklung pragmatisc­h vorgegange­n.

Obwohl die Wissenscha­ft seit Jahren vor den einschneid­enden Folgen von Pandemien gewarnt hatte, waren weder die Mitgliedst­aaten noch die EU angemessen vorbereite­t. Es wurde ein Improvisie­ren und Probieren. An anderer Stelle haben viele Verantwort­liche längst reumütig eingeräumt, dass die Grenzschli­eßungen der falsche Weg zur CoronaBekä­mpfung gewesen seien. Umso mehr überrascht die Erkenntnis der

Prüfer, dass selbst bei dem am besten funktionie­renden Mittel zur Erleichter­ung des Reisens auch 2023 noch keine Vorkehrung­en getroffen worden sind, um das Corona-Zertifikat länger nutzen oder bei Bedarf schnell wieder einsetzen zu können. Die Rechtsgrun­dlage läuft sogar in wenigen Monaten aus.

Weil die Prüfer bei ihren Recherchen auf rechtliche und Datenschut­z-Vorbehalte trafen, empfiehlt der Rechnungsh­of dringend, dass die Kommission genau analysiere­n sollte, warum die Mitgliedst­aaten die drei übrigen EU-Programme nicht oder kaum genutzt haben und was mit Blick auf künftige Krisen jetzt schon verbessert werden kann, damit es dann schneller und besser läuft.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Der Impfpass blieb weiter gültig, doch das digitale Covid-Zertifikat der EU wurde europaweit und darüber hinaus während der Pandemie zum Renner.

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