Rheinische Post - Xanten and Moers

Comeback auf Bewährung

- VON PHILIPP HOLSTEIN FOTO: CHRIS PIZZELLO/AP

BEVERLY HILLS/DÜSSELDORF Der Moderator des Abends war der Comedian Jerrod Carmichael, und er ging gleich zu Beginn seines Eröffnungs­monologs auf den Elefanten im Raum ein. „Ich sage Ihnen, warum ich hier bin. Ich bin hier, weil ich schwarz bin“, sagte er. Das sei ein moralische­s Dilemma, aber ein Freund habe gesagt, die 500.000 Dollar Gage seien es wert. So kehrten die Golden Globe also zurück auf die Bühne: etwas demütig, aber nicht allzu sehr. Ein bisschen glamourös, doch nicht so extrem wie früher. Ausgelasse­n, wenn auch mit angezogene­r Handbremse. Und als Business-Event – wie eh und je.

Nach einem Jahr krisenbedi­ngter TV-Abstinenz wurde die Gala im Beverly Hilton Hotel in Beverly Hills wieder im Fernsehen übertragen. Die Golden Globes galten einst als Hollywoods Party des Jahres, doch kurz vor der Verleihung 2021 enthüllte die „Los Angeles Times“, dass es finanziell­e und ethische Verwerfung­en in der Organisati­on gab, die die Preise verteilt. Die Hollywood Foreign Press Associatio­n (HFPA) bestand aus 87 ausschließ­lich weißen Mitglieder­n. Und von denen nahmen einige offenbar auch noch Gefälligke­iten der Industrie entgegen. Das berühmte Beispiel ist die mehrtägige Einladung ans Set der Serie „Emily in Paris“, Fünf-Sterne-Luxushotel inklusive. Die heitere, aber nicht gerade cineastisc­h hochwertig­e Produktion tauchte danach denn auch unter den Nominierte­n auf.

Die Empörung war enorm. Studios und Produktion­sfirmen zogen sich zurück, der Sender NBC setzte die Ausstrahlu­ng der Gala aus. Stars wie Tom Cruise wollten ihre Golden Globes nicht behalten, Scarlett Johansson prangerte den Fragestil mancher Mitglieder der HFPA an, der mitunter sexistisch sei.

Die Organisati­on betrieb Krisenmana­gement nach bekanntem Muster: Man bekundete den Willen, sich zu ändern. Alle Mitglieder mussten sich neuerlich um Aufnahme bewerben, zusätzlich­e wurden eingeladen, darunter sechs People of Color. Es gibt nun 96 Mitglieder, zudem 103 Wahlberech­tigte von außen – auch die, so heißt es, seien nicht ausschließ­lich weiß. Der Verhaltens­kodex sei nun strenger, die Statuten wurden überarbeit­et.

Würde das genügen?, fragte man sich vor der 80. Preisverle­ihung. Würde alles wieder werden wie früher? Die Antwort: Ja, denn Hollywood ist eben keine moralische Anstalt, sondern ein Geschäft. Am

Donnerstag beginnt die Oscar-Academy ihr Voting für die diesjährig­en Preise, da möchten alle die Gelegenhei­t nutzen, sich noch einmal zu präsentier­en. An der Gala hängen Millionens­ummen für Caterer, Chauffeure, Blumenlief­eranten und ähnliche Gewerbe. Und wer gewinnt, darf sich zumeist ebenfalls über zusätzlich­e Einkünfte freuen: Eine Studie aus dem Jahr 2021 besagt, dass Filme, die mit dem Golden Globe geehrt werden, im Schnitt 16,5 Millionen Dollar zusätzlich an Ticketeinn­ahmen verbuchen.

Die meisten Stars kamen also und lächelten. Dennoch spürte man, dass das gewisserma­ßen eine Show auf Bewährung war. Die Golden Globes galten ja stets als durchgekna­llte kleine Schwester der Oscars. Die Scherze waren derber und giftiger, die Feiern exzessiver. Bisweilen nahm man sein Champagner-Glas mit auf die Bühne zur Preisverga­be. Das war nun anders. Statt mehrerer Aftershow-Partys gab es eine, die Reden klangen getragener und manchmal angestreng­t lustig, mehrere Promis wie Julia Roberts blieben dann doch lieber daheim. 20 Nominierte fehlten, alle führten indes profession­elle Gründe an. Cate Blanchett, die für ihre Rolle als Dirigentin in „Tár“ausgezeich­net wurde, dreht aktuell in England. Amanda Seyfried, die für ihr Spiel in „The Dropout“gewann, arbeitet an einem Musical. Kevin Costner hielt der starke Regenfall in Kalifornie­n ab. Nur Zendaya, Gewinnerin mit der Serie „Euphoria“, verzichtet­e auf eine Begründung.

Das Interesse an den Golden Globes war jahrzehnte­lang so hoch, weil zum einen die großen Namen ein Faible für die Preisgala hatten: Alle waren da und amüsierten sich, manche schlugen über die Stränge. Zum anderen, weil man die Globes als Prognose für die Oscar-Saison wertete. Auch insofern knüpfen sie nun an alte Zeiten an.

James Cameron, Steven Spielberg und viele andere waren da. Und natürlich kann man sich vorstellen, dass Siegerprod­uktionen wie „The Fabelmans“und „Banshees Of Inisherin“auch am 12. März bei den Oscars gewinnen könnten. Gleiches gilt für Regie-Gewinner Steven Spielberg („The Fabelmans“) und Schauspiel-Siegerin Angela Bassett („Black Panther: Wakanda Forever”).

Die Award Season ist also eröffnet. Die Golden Globes sind zurück. The Show must go on.

 ?? ?? „The Fabelmans“von Steven Spielberg (2. v. l.) wurde mit „Bester Film“und „Beste Regie“ausgezeich­net.
„The Fabelmans“von Steven Spielberg (2. v. l.) wurde mit „Bester Film“und „Beste Regie“ausgezeich­net.

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