Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Angst der Autoindustrie
Der Branchenverband sieht den Standort Deutschland in Gefahr.
FRANKFURT Die Lage in der deutschen Industrie sei schlechter als die öffentliche Stimmung. Daher sieht der Verband der Deutschen Automobilindustrie ( VDA) den Industriestandort Deutschland und Europa in Gefahr. Ohne ein ambitioniertes Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Standort könnte global dauerhaft der Anschluss verloren gehen, erklärte Verbandspräsidentin Hildegard Müller am Mittwoch in einer Online-Konferenz in Berlin. Grund dafür seien milliardenschwere Förderprogramme in den USA und die Konfrontation mit China. Dabei übte die oberste Lobbyvertreterin der Autobranche auch deutlich Kritik an der Ampelkoalition in Berlin.
Angesichts der hohen Energiepreise navigiere die Regierung nach wie vor im Krisenmodus. Eine langfristige Strategie für die Versorgung mit bezahlbarer Energie dagegen fehle. Dass dies nicht angegangen werde, sei fahrlässig. „Energie darf für Industrie und Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zum Luxusgut werden. Reduzierungen der Steuern und Abgaben können den Strompreis darüber hinaus unbürokratisch und einfach entlasten“, sagte Müller.
Auch beim Ausbau der Infrastruktur sei noch vieles zu tun. „Den Straßenbau
mit Klimaargumenten zu verhindern ist gerade falsch.“Denn darunter leide die Attraktivität des Industriestandorts Deutschland und somit die Innovationsfähigkeit und letztlich der Klimaschutz.
Als Antwort auf mögliche Szenarien bei der Deglobalisierung fordert der VDA eine Strategie zur Reglobalisierung, „mit Rohstoff- und Handelsabkommen sowie mit Energiepartnerschaften – so diversifiziert wie möglich, um Abhängigkeiten abzubauen und resilienter aufgestellt zu sein“. Nur so könne sich Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb behaupten und Politik im
Sinne europäischer Werte und dem Anspruch auf ambitionierte Klimapolitik mitgestalten. In Bezug auf China sprach sich die VDA-Präsidentin für weiterhin gute Wirtschaftsbeziehungen aus. Ohne China verlöre man das nötige Geld, um die grüne Transformation zu stemmen.
Für das laufende Jahr rechnet die Automobilbranche mit steigenden Neuzulassungen in Höhe von 2,7 Millionen Einheiten. Das wären zwar zwei Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Dennoch bliebe auch dieses Ergebnis um rund ein Viertel hinter dem von 2019, also vor der Pandemie, zurück.
Im Center Automotive Research (CAR) in Duisburg rechnet man mit knapp 2,8 Millionen Zulassungen hierzulande – und einer sich weiter entspannenden Lage in der Industrie. „Die Produktion läuft besser, die Chipkrise wird überwiegend Historie werden und neue Wettbewerber aus China werden ihren Marktanteil von einem Prozent deutlich ausbauen“, sagte CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer unserer Redaktion. Und das könne sich letztlich auch positiv für Menschen auswirken, die darüber nachdenken, sich in diesem Jahr ein neues Auto zuzulegen. Nach einem durchwachsenen Jahr 2022 blickt die Automobilbranche also vorsichtig optimistisch auf 2023.