Rheinische Post - Xanten and Moers

Eine NFL-Saison voller Höhepunkte

- VON STEFAN JANSSEN FOTO: ABBIE PARR/AP

Die Minnesota Vikings lieferten ein historisch­es Comeback. Die Colts machten einen TV-Analysten zum Cheftraine­r. Und es war noch mehr los im American Football.

DÜSSELDORF Für 18 der 32 NFLTeams ist die Saison 2022 vorbei – denn sie haben sich nicht für die Play-offs qualifizie­ren können. Doch auch sie haben während der 17 Spiele umfassende­n regulären Saison dazu beigetrage­n, dass es wieder viel Spektakel gegeben hat. Das sind unsere Höhepunkte:

Minnesota Vikings mit historisch­em Comeback In der NFL legt man sich Statistike­n gerne mal so zurecht, dass sie beeindruck­end und nach etwas Historisch­em klingen. Überspitzt könnte es zum Beispiel heißen: Die Minnesota Vikings sind das erste Team, das an einem Samstag im Dezember nach einem Rückstand von 33 Punkten zur Halbzeit noch in der Verlängeru­ng gewonnen hat. Doch dieses Comeback der Vikings gegen die Indianapol­is Colts am 17. Dezember war wirklich historisch, ganz ohne unnötige Kriterien wie dem Wochentag. Der 39:36-Sieg nach 0:33-Pausenrück­stand war das größte Comeback der 102-jährigen NFL-Geschichte. Das lag zuvor bei 31 Punkten. Diese fantastisc­he Aufholjagd der Vikings war zudem ein weiterer Tiefpunkt einer katastroph­alen Colts-Saison.

Damar Hamlin erholt sich nach seinem Herzstills­tand Es war ohne Zweifel der schlimmste Moment der NFL-Saison: Damar Hamlin von den Buffalo Bills bricht nach einer normalen Verteidigu­ngsaktion gegen die Cincinnati Bengals plötzlich zusammen und muss auf dem Feld reanimiert werden. Doch das schnelle und perfekte Eingreifen der Teamärzte verhindert das Schlimmste: Nicht nur Hamlins Leben kann gerettet werden, auch neurologis­ch trägt der 24-Jährige keine Schäden davon. Schon Tage nach dem Vorfall erholt er sich im Krankenhau­s rasant, kann bald wieder selbststän­dig atmen und auch wieder sprechen. Es war ein Horror-Szenario aufgezeigt worden, das letztlich so gut wie eben möglich ausgegange­n ist. Bereits am vergangene­n Sonntag beim Sieg gegen die New England Patriots drückte er seinem Team vor dem Fernseher die Daumen.

Das erste NFL-Spiel in Deutschlan­d Die NFL ist in den vergangene­n Jahren auch in Deutschlan­d immer beliebter geworden, das erste Spiel auf deutschem Boden am 13. November in München war daher folgericht­ig. Drei Millionen Menschen hätten nach Angaben der NFL gerne ein Ticket gekauft. Am gesamten Wochenende war die Münchner Innenstadt fest in der Hand von tausenden NFL-Fans, die gemeinsam eine riesige Party feierten. Der Höhepunkt war dann der 21:16-Sieg der Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks in der Allianz Arena. In der kommenden Saison gibt es direkt die nächste Auflage der NFL in Deutschlan­d – diesmal in Frankfurt. Und es gibt sogar Spekulatio­nen über eine zweite Partie.

Das Spiel des Jahres: Buffalo Bills gegen Minnesota Vikings Die Aufholjagd

der Vikings gegen die Colts war nicht die einzige dieser Saison. Die Männer in Purpur und Gold lagen auch gegen die Bills zwischenze­itlich mit 10:27 hinten, gewannen aber noch 33:30 nach Verlängeru­ng. Was das Spiel darüber hinaus besonders machte, waren die unglaublic­h vielen Highlights. Vikings-Receiver Justin Jefferson konnte man den Ball irgendwo hinwerfen, er pflückte alles runter. Selbiges galt auch für Stefon Diggs von den Bills. Bei Minnesotas Aufholjagd entscheide­nd waren dann ein 81-Yard-Touchdown-Lauf von Dalvin Cook sowie ein Fumble der Bills Sekunden vor dem Ende, den die Vikings zum 30:27 in der Endzone sicherten. Buffalo reichten aber 41 Sekunden, um selbst nochmal zu punkten und die Verlängeru­ng zu erzwingen – wo dann wiederum die Vikings gewannen.

Unfassbare Catches Odell Beckham Jr. hat „der beste Griff aller Zeiten“, wie es in einer TV-Werbung so schön hieß, zum Star gemacht. Doch dieser Catch aus dem Jahr 2014 ist in dieser Saison gleich mehrfach getoppt worden. Da wäre zum Beispiel

der eben angesproch­ene Justin Jefferson, der in besagtem Spiel gegen die Bills einen Pass in Beckham-Manier mit einer Hand fing, während aber der Gegenspiel­er seine beiden Hände ebenfalls dran hatte. Doch Jefferson war stärker und hielt das Ei sogar fest, als er auf dem Boden aufprallte. Für viele solcher Highlights sorgte auch Pittsburgh­Steelers-Rookie

George Pickens, vor allem mit seiner unglaublic­hen Akrobatik-Einlage gegen die Cleveland Browns. Das war aber noch lange nicht alles; unglaublic­he Catches wie den von Beckham 2014 sah man in dieser Saison viele. Langweilig wurden sie nicht.

„Mr. Irrelevant“deklassier­t Tom Brady Der als letztes ausgewählt­e Spieler eines jeden NFL-Drafts wird „Mr. Irrelevant“genannt, weil er in der Regel selten überhaupt einen Kaderplatz bekommt und noch seltener eine aufsehener­regende Karriere hinlegt. Er ist eben häufig „unbedeuten­d“. Nicht so Brock Purdy, wie es scheint. Der Quarterbac­k war „Mr. Irrelevant“2022, als er von den San Francisco 49ers in Runde sieben an 262. Stelle ausgewählt wurde. Doch aufgrund von Verletzung­en durfte – oder musste – Purdy dann plötzlich doch ran, seit dem 13. Spieltag ist er Stammspiel­er bei den 49ers – und hat seither jedes seiner sechs Spiele gewonnen. Gleich sein zweites war das gegen Altmeister Tom Brady, dessen Buccaneers er mal eben mit 35:7 auseinande­r nahm. San Francisco

geht nun mit Purdy in die Playoffs – mal sehen, wozu der Rookie noch in der Lage ist.

TV-Analyst wird Cheftraine­r Es ist eine der verrücktes­ten Geschichte­n dieser Saison. Seit 1997 ist Jim Irsay Besitzer der Indianapol­is Colts und noch nie hat das Team in dieser Zeit einen Cheftraine­r während der laufenden Saison gefeuert. Das änderte sich 2022, als Frank Reich nach einem enttäusche­nden Saisonstar­t bereits im November gehen musste. Das Verrückte kommt aber erst noch: Irsay holte als dessen Nachfolger Jeff Saturday, der einst erfolgreic­h als Spieler der Colts aktiv war, als Trainer aber keinerlei nennenswer­te Erfahrung vorzuweise­n hatte. Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt als NFL-Analyst für den TV-Sender ESPN. Irsay sagte bei der Vorstellun­g Saturdays, er sei froh darüber, dass dieser keine Erfahrung habe, denn so habe er auch nicht „die Angst gelernt“, die mit dem Coaching in der NFL irgendwann komme. Der Besitzer ließ sich zu weiteren bizarren Aussagen verleiten, die für viel Kopfschütt­en sorgten. Geholfen hat der Trainerwec­hsel wenig, die Colts gewannen zwar ihr erstes Spiel unter Saturday, verloren dann aber ihre letzten sieben mit teils peinlichen Auftritten. Die Saison der Colts war ein einziges Chaos.

J.J. Watt macht Schluss Die meisten NFL-Spieler machen ihr Karriereen­de erst nach Ablauf der Saison bekannt. J.J. Watt, einer der besten Verteidige­r, den die Liga je gesehen hat, machte es jedoch ein paar Wochen vorher öffentlich, nachdem er sein letztes Heimspiel absolviert hatte. So bestritt er seine letzten beiden Spiele in Atlanta und San Francisco und damit den einzigen beiden Stadien, in denen er zuvor noch nicht gespielt hatte. Schon bevor sein eigenes, letztes Spiel am Sonntag begann, wurde es für ihn emotional, als ihn ein Bild aus Pittsburgh erreichte: Dort spielen seine beiden Brüder Derek und T.J. und beide trugen bei der Ankunft an ihrem Stadion jeweils ein Trikot mit der „99“von J.J. Watt. In seinem letzten KarriereSp­iel gelangen Watt dann auch noch stilecht zwei Quarterbac­k-Sacks und er beendet die Karriere mit 114,5. Zwei Minuten vor dem Ende verließ er unter tosendem Applaus auch der gegnerisch­en Fans und Spieler das Feld.

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running back Dalvin Cook (r.) von den Minnesota Vikings gelingt ein 64-Yard-Touchdown gegen die Indianapol­is Colts.

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