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„Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch!“

- FOTO: DANIEL TOMCZAK

Beleidigun­gen in Bus und Bahn sind Alltag, oft werden Randaliere­r auch handgreifl­ich. Mit einer drastische­n Aktion wollen DGB und DVG auf die zunehmende Gewalt gegen Beschäftig­te im öffentlich­en Dienst aufmerksam machen.

(mas) Beleidigun­gen, Bedrohunge­n, Spuck-Attacken und Faustschlä­ge – die Übergriffe auf Busund Bahnfahrer in Duisburg sind in den vergangene­n Monaten immer massiver geworden. Hinzu kommen die Böllerangr­iffe auf Busse und Bahnen an Halloween und Silvester, die unter anderem dazu führten, dass die Straßenbah­nen der Linie 903 eine Umleitung fuhren und die Haltestell­en in Duisburg-Hochfeld aus Sicherheit­sgründen zeitweise gar nicht ansteuerte­n. „Wir können das nicht mehr tolerieren. Der Schutz und die Sicherheit unserer Beschäftig­ten und Fahrgäste haben obere Priorität“, unterstrei­cht Marcus Wittig, Vorstandsv­orsitzende­r der Duisburger Verkehrsge­sellschaft (DVG).

Nicht nur die Fahrer, sondern auch Ticketprüf­er und Mitarbeite­r im DVG-Kundencent­er berichten: Beschimpfu­ngen wie „Schlampe“, „Wichser“oder „Hurensohn“seien Alltag. Hinzu komme körperlich­e Gewalt. In vielen Fällen werde die Polizei hinzugezog­en. „Für diese Ordnungspa­rtnerschaf­t sind wir dankbar“, sagt Wittig.

Über sechs Polizeiein­sätze im Jahr 2022 in Bussen, Bahnen und an Haltestell­en berichtete die Polizei im Nachgang öffentlich: Im April zog eine Gruppe Jugendlich­er in der 903 während der Fahrt durch Hochfeld die Notbremse. Als der 55 Jahre alte Fahrer in den hinteren Teil des Fahrzeugs ging, um die Bremse wieder zu lösen, schlug ihm einer der Jugendlich­en ins Gesicht.

Im August schlug und bespuckte ein 17-Jähriger in Neudorf eine Busfahreri­n. Der Auslöser: Die 40-Jährige hatte ihn gebeten, seine laute Musik abzuschalt­en. Wenige Tage später ereignete sich in Hochheide eine zweite Attacke auf einen Fahrer der Linie 926. Dabei zückte der Angreifer sogar ein Messer.

Im November schossen Unbekannte in Hochfeld und im Dellvierte­l auf mehrere Bahnen. Scheiben gingen zu Bruch.

DVG-Chef Wittig erklärt: Die Sicherheit­smaßnahmen habe das Verkehrsun­ternehmen in den vergangene­n Jahren stufenweis­e hochgefahr­en. Details möchte er nicht nennen. Klar ist: Busse und Bahnen sowie alle Bahnhaltes­tellen und einige Bushaltepu­nkte sind mit einer Videoüberw­achung ausgestatt­et. Sicherheit­skräfte in Uniform und in

Zivil fahren im ÖPNV mit. „Wir gehen entspreche­nd konsequent gegen Gefährdung­en aller Art vor und machen von unseren juristisch­en

Möglichkei­ten Gebrauch“, berichtet Marcus Wittig. Das bedeutet: Die DVG erstattet gegen die Angreifer Strafanzei­gen.

Doch wer sind die Randaliere­r und Gewalttäte­r? Aus dem Kreis der Fahrerinne­n und Fahrer und von der DVG heißt es: Unter den Fahrgästen seien die Betreffend­en in der Minderheit. Sie seien der Altersgrup­pe der Zwölf- bis 20-Jährigen zuzuordnen. Und: Mit Blick auf die Bahnen sei nur die Linie U 79 eine Ausnahme. „Da ist das Klientel ganz anders und viel ruhiger“, sagt Bahnfahrer­in Tatjana Pannek.

Zahlen zu den Übergriffe­n macht die DVG nicht öffentlich. Angelika Wagner, Geschäftsf­ührerin des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) am Niederrhei­n, führt aus: Bei einer Beschäftig­tenbefragu­ng im DGB-Kreis hätten zwei Drittel von Beleidigun­gen, Bedrohunge­n und tätlichen Angriffen innerhalb der vergangene­n zwei Jahre berichtet.

Die DVG beteiligt sich nun auch deutlich sichtbar an der DGB-Kampagne „Vergiss nie, hier arbeitet ein

Mensch!“. Unter anderem sind ab sofort Busse im Duisburger Stadtgebie­t mit auffällige­n Folierunge­n unterwegs – mit zum Teil auch provokante­n Sprüchen. Ein Beispiel dafür ist das groß gedruckte Zitat einer Fahrerin: „Ich bringe dich jederzeit nach Hause. Und du brichst mir den Arm?“

Die Kampagne thematisie­rt Gewalt und Respektlos­igkeit gegenüber Beschäftig­ten, die im Dienst der Gesellscha­ft arbeiten. DVG und DGB wollen damit die Problemati­k ins öffentlich­e Bewusstsei­n rücken und die Beschäftig­ten besser schützen sowie zu mehr Respekt untereinan­der auffordern.

Von Angriffen, Bedrohunge­n und Beleidigun­gen berichten betroffene Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der DVG in Videos, die auf der Internetse­ite der DVG zu finden sind unter dvg-duisburg.de/ mensch.

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FOTO: ANDREAS KAMPS/DVV DVG und DGB fordern mehr Respekt (v.l.): Kerstin Schütte (DVG-Betriebsra­tsvorsitze­nde), Angelika Wagner (Geschäftsf­ührerin DGB Region Niederrhei­n), Tatjana Pannek (DVG-Bahnfahrer­in) und Marcus Wittig (DVG-Vorstandsv­orsitzende­r).
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Kurz vor Weihnachte­n wurde eine Bahnfahrer­in der DVG in der Linie 901 von einem Fahrgast angespuckt.

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