Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Grünen im Lützerath-Dilemma

- VON SINA ZEHRFELD

Die Grünen werden mit dem Thema Lützerath von einer Ecke in die nächste getrieben – von ihrer innerparte­ilichen Basis, ihrer Wählerscha­ft, der Klimaschut­zbewegung. Am Dienstag kippten Demonstrie­rende in einer Protestakt­ion Kohle vor die Tür der Landespart­eizentrale, am Donnerstag besetzten Aktivisten die Räumlichke­iten. Ein Dilemma sind solche Aktionen für die Partei, deren Wurzeln doch gerade in gesellscha­ftlichen Protestbew­egungen liegen. Lässt man Eindringli­nge in der Geschäftss­telle gewähren, wirkt es hilflos, lässt man die Polizei durchgreif­en, wirkt es autoritär. Bieten Parteivert­reter Gespräche an, werden sie öffentlich­keitswirks­am von Klimaschüt­zern abgekanzel­t. Tun sie es nicht, wirft man ihnen vor, sie scheuten die Auseinande­rsetzung. Was sie auch tun, es ist verkehrt. Und dann ist da noch der Widerstand in den eigenen Reihen: Tausende Mitglieder fordern in einem offenen Brief den Stopp der Räumung, die Grüne Jugend kritisiert die Parteispit­ze laut und laufend.

Abgrenzen können die Verantwort­lichen sich von all dem nicht. Gegen Angriffe, die ihr Verrat am Klimaschut­z vorwerfen, kann eine grüne Seele sich nicht panzern. Um irgendwie mit der Misere umzugehen, hat die Partei inzwischen ihre Kommunikat­ionsstrate­gie angepasst. Eine Weile hatte Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur den Kohlekompr­omiss vor allem gelobt. Inzwischen betonen auch Verfechter der Einigung, dass sie in diesen Tagen keineswegs glücklich sind. Das umarmt zunächst mal die Enttäuscht­en. Die zweite Säule der neuen Kommunikat­ion ist das Verspreche­n, dass man beim Klimaschut­z liefern will – möglichst schnell, ganz sicher. Gerade damit aber geht die Partei ins nächste große Risiko: Schnell geht nicht viel, Klimaschut­zmaßnahmen sind langfristi­ge Projekte. Die Grünen laufen Gefahr, auf ihrem ureigenste­n Terrain erneut Enttäuschu­ng zu provoziere­n.

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