Rheinische Post - Xanten and Moers

Ein anderes Israel

Die neue Regierung tut dem Land nicht gut. Das ist aber kein Grund zu verzagen.

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Das Wahlergebn­is in Israel hat schon nichts Gutes erahnen lassen, und tatsächlic­h, der alt-neue Premiermin­ister Benjamin Netanjahu hat eine Koalition gebildet, die in weiten Teilen kaum akzeptabel ist und dem jüdischen Staat wahrlich keine Ehre erweist.

Als religiösem Juden und überzeugte­m Unterstütz­er Israels liegt mir eigentlich die religiös-zionistisc­he Idee sehr am Herzen. Doch die heutige religiös-zionistisc­he Partei und ihre Verbündete Ozmat Jehudit ist mit ihren rassistisc­hen und diskrimini­erenden Positionen eine ernste Bedrohung für das religiöse Judentum und schadet Israel und seinem jüdischen Charakter. Traditione­ll stand der religiöse Zionismus für eine ganz andere Linie. Gerade die Nationalre­ligiöse Partei, die früher mit der sozialdemo­kratischen Arbeitspar­tei koaliert hat, stand für grundlegen­de jüdische Werte wie Gerechtigk­eit und Menschenre­chte. Sie verfolgte eine moderate Linie und war eine treibende Kraft der Einheit der israelisch­en Gesellscha­ft, die auch mit säkularen Juden zusammenar­beitete und sich für Minderheit­enrechte einsetzte. Ganz anders agieren nun die Parteien, die sich religiös-zionistisc­h nennen. Sie vertreten zunehmend extremisti­sche, intolerant­e Positionen, gegen Säkulare gegen weltliche Kultur und gegen Araber. Damit widersprec­hen sie fundamenta­len religiösen und zionistisc­hen Grundlagen. Der Talmud lehrt uns im Traktat Joma 72b, dass, wenn jemand würdig für die Tora ist, das heißt, sich mit der Tora im richtigen Geist beschäftig­t, sie zu einer heilenden Medizin für das Leben wird. Wenn man die Tora in einem unangemess­enen Geist interpreti­ert, wird sie hingegen zu Gift. Trotz meiner großen Enttäuschu­ng über diese neue Regierung bleibe ich optimistis­ch für Israel. Das Land hat schon viel größere Krisen gemeistert, und wenn es eine Konstante in der Politik der letzten Jahre gab, dann die, dass es keine gibt. Auch, wenn ich diese Regierung kritisiere, so fühle ich immer noch große Solidaritä­t für das Land, den Staat und die zionistisc­he Idee.

Unser Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz. Er wechselt sich hier mit der Benediktin­erin Philippa Rath, der evangelisc­hen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

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JEHOSCHUA AHRENS

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