Rheinische Post - Xanten and Moers
Die umstrittenste Ministerin
Christine Lambrecht, Chefin des Verteidigungsressorts, will offenbar zurücktreten. Sie steht in der Kritik, zuletzt wegen ihrer verunglückten Neujahrsbotschaft. Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen Lambrechts Verbleib im Amt.
BERLIN (dpa/rtr) Nach Medienberichten gibt es Hinweise auf einen bevorstehenden Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Unter anderem die „Bild“-Zeitung und die „Süddeutsche Zeitung“berichteten am Freitagabend, Ministerin Christine Lambrecht (SPD) wolle zurücktreten. Aus dem Verteidigungsministerium gab es dazu am Abend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur allerdings keine Bestätigung. Ein Sprecher erklärte lediglich, dies seien Gerüchte, die nicht kommentiert würden. Allerdings erhielt die dpa von mehreren Seiten Hinweise darauf, dass Lambrecht in der kommenden Woche über das Amt entscheiden könnte. Die „Süddeutsche Zeitung“hatte geschrieben, Lambrecht wolle in der kommenden Woche ihr Amt zur Verfügung stellen.
Sprecher von Bundesregierung und SPD wollten sich nicht zu den Berichten äußern. Die SPD-Politikerin Lambrecht steht seit Monaten in der Kritik, jüngst etwa wegen einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.
Die oppositionelle Union hat wiederholt den Rücktritt der Verteidigungsministerin gefordert. Kritiker warfen ihr etwa die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr oder fehlende Sachkenntnis, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. So hatte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber Negativschlagzeilen gemacht.
Mitte Dezember hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine Verteidigungsministerin gegen Kritik in Schutz genommen. „Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin“, sagte Scholz damals der „Süddeutschen Zeitung“: „Über manche Kritik kann ich mich nur wundern.“Es gehe jetzt darum, die Bundeswehr langfristig zu stärken und sie verlässlich mit Waffen und Munition auszurüsten.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, begrüßte einen möglichen Rücktritt Lambrechts als „positive Aussicht“für die Bundeswehr. „Ich hätte größten Respekt vor einem solchen Schritt“, sagte der CSUPolitiker den Zeitungen der FunkeMediengruppe. „Das wäre ein versöhnlicher Schlusspunkt und eine positive Aussicht für unsere Bundeswehr.“
Einer Umfrage zufolge ist die Mehrheit der Deutschen für einen Rücktritt Lambrechts. Das ging aus dem am Freitag veröffentlichten ZDF-„Politbarometer“hervor. Demnach sprachen sich 60 Prozent der Befragten für einen Rücktritt der Ministerin aus; 25 Prozent waren dagegen. Selbst innerhalb der SPD sprachen sich 50 Prozent für einen Rücktritt aus; 38 Prozent waren für ihren Verbleib im Amt.
Lambrecht hatte mit dem Start der Ampel-Regierung im Dezember 2021 das Verteidigungsministerium übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel (CDU) Justizministerin gewesen; nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt. Sie hatte bei der Bundestagswahl 2021 aber nicht mehr für den Bundestag kandidiert und galt damit eigentlich als Politik-Aussteigerin.
Da sich Scholz mit Karl Lauterbach für einen Mann im Amt des gesundheitsministers entschieden hatte, war eine SPD-Frau im Wehrressort aus Gründen der Parität praktisch gesetzt. „Für viele wird die Nominierung als Verteidigungsministerin eine Überraschung sein“, sagte Lambrecht, als sie im Dezember 2021 beim Amtsantritt mit militärischen Ehren empfangen wurde.
Die FDP reklamiert nach Angaben ihres Vizechefs Wolfgang Kubicki das Verteidigungsministerium nicht für sich. „Eine mögliche Neubesetzung des Bundesverteidigungsministeriums obliegt dem sozialdemokratischen Koalitionspartner“, sagte Kubicki. Dem Funke-Bericht zufolge regte Kubicki eine größere Kabinettsumbildung an.