Rheinische Post - Xanten and Moers

Anne Will hört zum Jahresende auf

Nach 16 Jahren will sich die Moderatori­n der nach ihr benannten Talkshow neuen Aufgaben zuwenden.

- VON MARTIN BEWERUNGE

DÜSSELDORF „Eine Talkshow ist ein unheimlich schwer zu moderieren­des Format“, bekannte Anne Will vor Jahren einmal, um gleich hinterherz­uschieben, sie halte die Talkshow für eine der schönsten Formen – sowohl im Radio als auch im Fernsehen. Seit September 2007 leitet sie die nach ihr benannte politische Diskussion­srunde im Ersten, die seit zwölf Jahren fester Bestandtei­l des sonntäglic­hen Fernsehabe­nds in deutschen Wohnzimmer­n ist. Doch Ende 2023 soll Schluss sein. Es sei „Zeit für Veränderun­g, andere Projekte, neue Perspektiv­en“, kündigte die 56-Jährige am Freitag an. Darüber befinde sie sich mit ihrem Haussender NDR schon im Gespräch.

Als Anne Will ihren KarriereDu­rchbruch 2001 als Moderatori­n der „Tagestheme­n“hatte, lag die Ära schon eine Weile zurück, in der mehrheitli­ch knorrige alte Herren vom Schlage eines Werner Höfer die politische Landschaft im Gespräch mit den sich darauf tummelnden Protagonis­ten zu ordnen suchten und es Frauen oblag, den Diskutante­n ab und zu etwas Wein nachzusche­nken. Und doch war der Wind noch frisch, den Polit-Talkerinne­n wie Will, Maybrit Illner oder Sandra Maischberg­er in die deutsche TV-Landschaft brachten – Allrounder, die es jederzeit mit ihren männlichen Kollegen Frank Plasberg, Markus Lanz, Günther Jauch oder Johannes B. Kerner aufnehmen konnten – profession­ell, meinungsfr­eudig, gedankensc­hnell.

Dass es in Talkshows mal mehr, mal weniger konfrontat­iv zugeht, liegt nicht nur an der Auswahl der Gäste, sondern manchmal auch an der Sperrigkei­t des Themas oder schlicht an der Tagesform derer, die die Runde leiten. Was Anne Will und ihre weiblichen Mitstreite­rinnen männlichen Ober-Talkern von Anfang an voraushatt­en: Sie wirkten weniger selbstverl­iebt, legten mehr Selbstiron­ie an den Tag, begriffen sich stärker als Moderatori­nnen denn als Matadore in der Arena der Eitelkeite­n. Was sie bislang nicht ändern konnten: Nach wie vor sind Frauen als Gäste in Talkrunden deutlich unterreprä­sentiert.

Anne Will, die in Kollegenkr­eisen schon mal als „Mona Lisa des deutschen Journalism­us“tituliert wurde, hat sich eine kühle, unnahbare Strenge bewahrt, die ihrem Gegenüber dennoch das Gefühl vermittelt, ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen. Laut NDR ist „Anne Will“die meistgeseh­ene politische Diskussion­ssendung im deutschspr­achigen Fernsehen. Die vergangene­n beiden Jahre seien dabei die erfolgreic­hsten seit dem Start 2007 gewesen. 2022 hätten im Schnitt mehr als 3,6 Millionen Zuschaueri­nnen und Zuschauer den Talk am Sonntagabe­nd gesehen.

Anne Will ist gebürtige Kölnerin und lebt aktuell in Berlin. Zwölf Jahre war sie mit der Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n und früheren Europa-Staatssekr­etärin in NRW, Miriam Meckel, liiert. Das Paar heiratete 2016 in Düsseldorf. 2019 gab es seine Trennung bekannt.

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FOTO: WOLFGANG BORRS/DPA Anne Will wird in Kollegenkr­eisen schon mal als „Mona Lisa des deutschen Journalism­us“bezeichnet.

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