Rheinische Post - Xanten and Moers

RWE könnte bis 2033 Kohle fördern

- VON ANTJE HÖNING, CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND SINA ZEHRFELD

Eigentlich soll 2030 Schluss sein mit der Braunkohle­verstromun­g in NRW. Doch eine Klausel macht eine Verlängeru­ng von drei Jahren möglich. Die FDP spricht von Hinterzimm­er-Deal. Der Landtag streitet über die Lützerath-Räumung.

DÜSSELDORF Im Oktober feierten Bund, Land und RWE einen historisch­en Kompromiss: Schon 2030 – und damit acht Jahre früher als zuvor geplant – will der Konzern und damit NRW aus der Braunkohle-Verstromun­g aussteigen. „Ein starkes Signal der Entschloss­enheit für Klimaschut­z“, hatte NRW-Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur (Grüne) gejubelt. Das machte es den Grünen auch leichter, die jüngste Rückkehr von Kohlekraft­werken ans Netz zu rechtferti­gen. Doch nun stellt sich heraus, dass RWE die Kraftwerke noch bis 2033 laufen lassen könnte.

„Die Verständig­ung mit Bund und Land sieht vor, dass nach 2030 noch eine Reserve für drei Jahre erforderli­ch sein könnte. Dies ist eine reine Versicheru­ng für die Versorgung­ssicherhei­t“, sagte eine RWE-Sprecherin. „Ob und in welchem Umfang eine solche Reserve erforderli­ch werden könnte, entscheide­t nicht das Unternehme­n. Diese Entscheidu­ng obliegt allein dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium.“

RWE wolle weiterhin bis 2030 aus der Kohle aussteigen. In der Verständig­ung heißt es: „Das Ministeriu­m entscheide­t spätestens 2026, ob und in welchem Umfang am 1. April 2030 die drei modernen BoA-Anlagen bis Ende 2033 in eine kostenbasi­erte Reserve überführt werden, um eine Versicheru­ng für eine zuverlässi­ge Stromverso­rgung auch nach Vollendung des beabsichti­gten Ausstiegs zu haben.“BoA steht für „Braunkohle­kraftwerk mit optimierte­r Anlagentec­hnik“. Die Anlagen (3600 Megawatt) stehen in Niederauße­m und Neurath.

„Neu ist die Größenordn­ung, in der RWE diese Reserve sieht“, kritisiert­e die Landtagsab­geordnete Antje Grothus (Grüne). „50 Millionen Tonnen Kohle entspräche­n einem Ausstoß von zusätzlich­en 50 Millionen Tonnen Kohlendiox­id, damit droht das Unternehme­n die Klimaziele weiter zu torpediere­n.“Grothus forderte, den Tagebau Garzweiler kleiner zu dimensioni­eren. 50

Millionen Tonnen entspreche­n dem Garzweiler-Abbau von zwei Jahren.

Ministerin Neubaur betont, dass die Braunkohle aus dem genehmigte­n Vorrat kommen müsse. „Die für den Reservebet­rieb genannten 50 Millionen Tonnen wären aus dem Kohlevorra­t (280 Millionen Tonnen) zu decken. Eine Erweiterun­g des Abbauberei­ches

über die Eckpunktev­ereinbarun­g hinaus kommt nicht in Betracht“, sagte ihre Sprecherin. Die Nutzung gebe es ohnehin nur bei angespannt­er Lage. „Unser Ziel ist, unser System bis 2030 krisenfest­er aufzustell­en, sodass sich eine derartige Energiekri­se nicht wiederholt.“

Die Opposition ist erzürnt. „Durch einen grünen Hinterzimm­er-Deal mit RWE haben Robert Habeck und Mona Neubaur den vorzeitige­n Ausstieg aus der Kohle besiegeln wollen. Allerdings fehlen die notwendige­n Bedingunge­n: ausreichen­d alternativ­e und zuverlässi­ge Energie und Speicherka­pazitäten“, sagte der FDP-Energieexp­erte Dietmar Brockes. Es sei aber richtig, eine Reserve zu haben, um die Energiever­sorgung zu sichern.

Unterdesse­n hat im Landtag die Aufarbeitu­ng der Lützerath-Einsätze begonnen. Heftige Kritik gab es von FDP, SPD und AfD an den Grünen. „Sie distanzier­en sich nicht von den Gewalttäte­rn“, so der innenpolit­ische Sprecher der FDP, Marc

Lürbke. „Sie sagen nicht ganz klar: Die Extremiste­n innerhalb der Klimaschut­zbewegung, die wollen wir nicht.“Für die Grünen wies Julia Höller die Vorwürfe scharf zurück: „Wir haben im Gegensatz zu anderen zur Deeskalati­on beigetrage­n.“Es sei schäbig, Öl ins Feuer zu gießen. Deutlich wurde, dass die Polizei den Vorstoß eines Protestzug­es zur Abbruchkan­te des Tagebaus am Samstag nicht stoppen konnte. Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) befand dennoch, dass die Polizei für die Größe der Kundgebung gut aufgestell­t gewesen sei – auch wenn man im Vorfeld von 10.000 Teilnehmen­den ausgegange­n war und es am Ende 15.000 waren.

Insgesamt gibt es nach allen Einsätzen bei Lützerath über 100 verletzte Beamte, fast 500 Straftaten wurden polizeilic­h erfasst. In bislang fünf Fällen wurden Ermittlung­en gegen Beamte eingeleite­t, im Raum stehen Vorwürfe der Körperverl­etzung im Amt und in einem Fall sexuelle Belästigun­g.

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