Rheinische Post - Xanten and Moers
Kaltstart für den neuen Minister
Boris Pistorius ist im Amt. Die erste wichtige Entscheidung wird die über die Lieferung schwerer Panzer an die Ukraine sein.
BERLIN Boris Pistorius schüttelt am Donnerstag viele Hände. Sehr viele. Die erste als neuer Verteidigungsminister ist die des deutschen Staatsoberhaupts. Bundespräsident FrankWalter Steinmeier überreicht dem niedersächsischen SPD-Politiker am Donnerstagmorgen die Ernennungsurkunde im Schloss Bellevue. Der Bendlerblock hat einen neuen Kopf an der Spitze, Christine Lambrecht ist Geschichte. So schnell kann es gehen.
Als Pistorius am Montagmorgen aufstand, ahnte er nicht, dass USVerteidigungsminister Llyod Austin drei Tage später darüber scherzen wird, dass er der erste Gast des neuen Ministers ist: „Kein Wunder, Sie sind ja auch erst seit einer Stunde im Amt“. Wohl wahr.
Doch der Reihe nach: Es ist acht Uhr und drei Minuten, als die zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Verteidigungsministerin Lambrecht, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Pistorius und Steinmeier den großen Saal im Schloss betreten. Steinmeier dankt Lambrecht im Namen Deutschlands sehr nüchtern für ihren Einsatz in mehr als zwei Jahrzehnten in der Bundespolitik.
Für seine neue Aufgabe wünschte Steinmeier Pistorius „Durchhaltevermögen, gutes Gelingen und eine glückliche Hand“. Für die anstehenden Herausforderungen benötige der neue Minister „kühlen Kopf, gute Nerven, Führungsstärke, klare Sprache und politische Erfahrung“. Dies alles habe Pistorius in früheren Ämtern bewiesen. Der Kanzler zeigt keine Gemütsregung, drückt beiden die Hand.
Kurze Zeit später schüttelt Pistorius dann sehr viele Hände. Im Bundestag wird er von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vereidigt, verzichtet auf den Gottesbezug bei der Eidesleistung. Danach sitzt er kurz auf der Regierungsbank und wirkt sehr bei sich. Der Oppositionsführer, CDU-Chef Friedrich Merz, steht auf und geht zu ihm, schüttelt ihm lange die Hand. Die Union hat in den vergangenen Tagen auf Kritik an der Neubesetzung sowie der Person verzichtet und von allen Seiten betont, dass man Pistorius im Amt Erfolg wünsche – fürs Land und die Bundeswehr. Ein bisschen war man von der Personalie auch überfahren, kann Pistorius noch nicht wirklich verorten.
Wenig später, im Bendlerblock, wird Pistorius mit militärischen Ehren
begrüßt. Bei einer kurzen Ansprache kritisiert der neue Minister, die Streitkräfte seien in den vergangenen Jahrzehnten oft vernachlässigt worden. Die Truppe brauche jetzt volle Unterstützung, er wiederum brauche für seine Arbeit die Unterstützung aller in der Bundeswehr, im Verteidigungsministerium und in den dazugehörenden Behörden. „Ich brauche die Unterstützung aller. Und ich werde sie auch einfordern“, sagt Pistorius und mahnt: „Der größte Teil der Zeitenwende liegt noch vor uns.“
Und dann empfängt er schon den ersten ausländischen Besucher im Amt. Mit seinem US-Kollegen gibt es viel zu besprechen. Beide sagen
der Ukraine weitere Unterstützung zu. „Putins entsetzlicher Angriffskrieg auf die Ukraine hat der Nato die Chance gegeben, sich als das zu erweisen, was sie ist, nämlich ein tragendes, ein stabiles Bündnis, das sich reaktions- und handlungsfähig gezeigt hat und weiter zeigen wird.“Dafür sei er sehr dankbar, sagt Pistorius. In den vergangenen Tagen ist der Druck auf Deutschland stark gewachsen, der Ukraine auch Kampfpanzer vom Typ Leopard zur Verfügung zu stellen, oder zumindest die Genehmigung dafür anderen Ländern zu erteilen. Kanzler Scholz ist dazu nun unter Bedingungen bereit, heißt es in Berlin. Pistorius hat bekräftigt, dass es keine deutschen Alleingänge geben wird. „Das muss man abwarten, ob das anrollt. Wir sind in Gesprächen, insbesondere mit unserem transatlantischen Partner, den Vereinigten Staaten“, sagte der neue Verteidigungsminister am Donnerstag dem Sender RTL.Allerdings nur, wenn die USA ihrerseits der Ukraine eigene Kampfpanzer zur Verfügung stellen. Das hat US-Präsident Joe Biden bisher immer abgelehnt.