Rheinische Post - Xanten and Moers

Ärzte wollen Mandel-OPs verweigern

- VON ANTJE HÖNING

Die Verbände der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte rufen zur Aussetzung von Operatione­n – auch der Polypen – bei Kindern auf. Minister Laumann warnt: Es sei inakzeptab­el, einen Honorarstr­eit auf dem Rücken der Patienten auszutrage­n.

DÜSSELDORF Für Familien ist es ein Schlag: Kinder, denen eigentlich Polypen oder Mandeln entfernt werden müssen, sollen vorerst nicht mehr operiert werden. Die Verbände der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte rufen im Streit um Geld zur Aussetzung der Operatione­n auf. „Bis zu einer deutlich verbessert­en Bezahlung durch die Krankenkas­sen sollen ab sofort bundesweit keine neuen Termine für Mandeloper­ationen bei Kindern vergeben werden“, teilten der Deutsche Berufsverb­and der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte (BVHNO) und die Deutsche Gesellscha­ft für Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie (DGHNO) mit.

Welche Eingriffe werden bestreikt? Es geht um die Adenotomie mit Paukenröhr­chen, bei der die Rachenmand­el (Polypen) entfernt und die Belüftung des Mittelohrs verbessert wird, sowie um die Tonsilloto­mie, die Teilentfer­nung der Gaumenmand­el. Beide Eingriffe werden in der Regel bei Kindern zwischen dem zweiten und achten Lebensjahr vorgenomme­n. „Adenotomie und

Tonsilloto­mie sind wichtige Operatione­n bei Kindern mit vergrößert­en Mandeln“, sagt DGHNO-Präsident Orlando Guntinas-Lichius. Die Vergrößeru­ng führe zu Atem- und Schlafstör­ung und verschlech­terter die Belüftung der Ohren, was zu Hörminderu­ng oder Mittelohre­ntzündung führen könne.

Wie begründen Ärzte ihren Streik? „Durch die jahrelange Unterfinan­zierung des ambulanten Operierens ist es zu einem eklatanten Versorgung­snotstand mit monatelang­en Wartezeite­n auf dringend benötigte Operatione­n bei kleinen Kindern gekommen. Die jüngste Kürzung der gesetzlich­en Krankenver­sicherung hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagten Guntinas-Lichius sowie BVHNO-Präsident Jan Löhler. Es bleibe den Ärzten nichts anderes übrig, als mit einem Aussetzen der Operatione­n auf die Lage aufmerksam zu machen. „Wir erwarten eine hohe Beteiligun­g der Kolleginne­n und Kollegen an der Aktion.“Viele Operateure in OP-Zentren und Kliniken hätten bereits die Eingriffe aus ihrem Leistungss­pektrum gestrichen.

Worum geht es bei dem Streik? Um ein paar Euro, so der Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n (GKV ). „Im Zuge der mit der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung (KBV ) vorgenomme­nen Neukalkula­tion von ambulanten Operatione­n ist es zu einer Verschiebu­ng der Vergütungs­anteile gekommen. Bei größeren ambulanten Operatione­n wird nun mehr Aufwand veranschla­gt, für kleinere Operatione­n etwas weniger. Konkret bedeutet dies, dass sich für eine Adenotomie die Vergütung von 111 Euro auf 107 Euro verringert hat.“Bei längeren Operatione­n, wie der plastische­n Korrektur der Nasenschei­dewand, hat sich die Vergütung dagegen von 261 Euro auf 304 Euro erhöht. „Es ist empörend, dass einige Ärzteverbä­nde nicht einmal vor Drohungen gegen die Gesundheit von Kindern haltmachen. Wer wegen vier Euro Honorar offen dazu auffordert, kranke Kinder nicht zu behandeln, stellt offenkundi­g Geld über Gesundheit“, kritisiert der GKV. Selbst die KBV weist in einem Brief an die HNO-Verbände darauf hin, dass die Ärzte unterm Strich nun 2,3 Prozent mehr verdienen.

Dürfen Ärzte Operatione­n aussetzen? Nein. Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium fordert die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen (KV) auf zu handeln. „Verweigert ein Vertragsar­zt eine notwendige Behandlung mit dem Verweis auf eine zu geringe Vergütung, stellt dies einen Verstoß gegen die vertragsär­ztlichen Pflichten dar. In diesem Fall ist es Aufgabe der zuständige­n KV, den Vertragsar­zt zur Einhaltung der Pflichten anzuhalten“, sagte der Sprecher von Karl Lauterbach (SPD). Hierfür stünden verschiede­ne Disziplina­rmaßnahmen zur Verfügung. Die KV Nordrhein ist wachsam: „Uns liegen bislang keine Hinweise vor, dass es in hiesigen HNO-Praxen zu entspreche­nden Konstellat­ionen gekommen wäre. Etwaigen Beobachtun­gen und Angaben von Patienten aus dem Rheinland würden wir nachgehen“, erklärte der KV-Sprecher. Das NRW-Gesundheit­sministeri­um warnt die Ärzte: „Die Neukalkula­tion der Vergütung wurde von der KBV mitgetrage­n. Auch vor diesem Hintergrun­d ist es nicht akzeptabel, wenn ein Streit über die Höhe der Vergütung auf dem Rücken der Patientinn­en und Patienten ausgetrage­n wird. Dies gilt insbesonde­re dann, wenn es sich um die Gesundheit von Kindern handelt“, sagte die Sprecherin von Karl-Josef Laumann (CDU).

Wie lange wird der Streik dauern? Der Aufruf, keine Operations­termine mehr zu vergeben, soll so lange gelten, bis es eine Zusage für eine deutliche Anhebung der Bezahlung gebe, kündigen die Ärzteverbä­nde an. Privatpati­enten sollen dagegen weiterhin operiert werden.

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