Rheinische Post - Xanten and Moers
Gladbach und Sommer haben gewonnen
Der Transfer des Torhüters zum FC Bayern stellt Rekorde auf. Für das, was Borussia in den Verhandlungen erreicht hat, gilt es der sportlichen Leitung Respekt zu zollen. Derweil sollte man einem der besten Keeper der Vereinsgeschichte dankbar sein.
Borussia Mönchengladbach hat mit dem FC Bayern nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch auf dem Transfermarkt schmerzvolle Erfahrungen gemacht. Wenngleich die Jüngeren fragen werden, was genau gemeint ist: 2019 bekam Borussia für Michael Cuisance, heute Zweitliga-Profi in Italien, acht Millionen Euro aus München überweisen. Zudem ist Gladbach in den vergangenen Jahren zum Angstgegner des Rekordmeisters geworden. Dass Torwart Yann Sommer nun nach achteinhalb Jahren den Klub verlässt und versucht, bei den Bayern seine Bundesliga-Karriere mit Titeln zu krönen, tut Gladbach weh, aber der Schmerz wird umgehend gelindert.
Denn Borussia wird entschädigt mit einer Ablösesumme, die mehrere Rekorde aufstellt und eine unverhofft unkomplizierte Nachfolge-Regelung ermöglicht. Der Sockelbetrag von acht Millionen Euro (weitere 1,5 können dazukommen) bedeutet, dass Sommer der teuerste Ü32Spieler der Bundesliga-Geschichte ist. Und das als Torwart mit einer restlichen Vertragslaufzeit von gut fünf Monaten. Diese Größenordnung muss man sich bei der Bewertung des Deals unbedingt vor Augen führen.
Als der Schweizer 2014 vom FC Basel kam, war er der zweitteuerste Bundesliga-Keeper hinter Manuel Neuer, noch immer steht er in dieser Rangliste auf dem dritten Platz. Sommers Abgang nach München konkurriert mit seinem Nachfolger in Gladbach, Jonas Omlin, um den vierten Platz. Ihn holt Borussia vom HSC Montpellier, womit sie gleich zwei Faibles der Gladbacher Gegenwart abdeckt: Einkäufe aus der französischen Liga und Profis aus der Schweiz.
Noch vor einigen Tagen lagen Gladbach und die Bayern in den Verhandlungen weit auseinander. Manager Roland Virkus hatte seinem Kollegen Hasan Salihamidzic bereits abgesagt, man werde Sommer im Winter nicht abgeben. Die Tür war zu, aber sie war nicht zugemauert, so etwas gibt es im Fußball quasi nicht. Doch die Bayern bewegten sich so spät, dass ein Wechsel noch am Montag wirklich geplatzt zu sein schien.
Letztlich bekam Borussia das, was sie wollte in den Verhandlungen – beim Geschäfte machen mit einem FC Bayern, der genau das gewohnt ist, ist das eine Leistung, für die es Virkus und Finanz-Geschäftsführer Stephan Schippers großen Respekt zu zollen gilt. Zwar ist es für die Liga kein wohltuendes Signal, wenn der Primus sich einfach den zweitbesten Torwart holt, wenn der beste monatelang ausfällt. Aber das ist in der Gesamtgemengelage nicht Gladbachs Problem.
Der Verein hoffte noch, als Sommer bei der WM weilte und Neuer sich beim Skifahren noch nicht so schwer verletzt hatte, auf eine Vertragsverlängerung mit dem 34-Jährigen. Nun hätte Borussia nach der Saison sehr wahrscheinlich ohne Stammkeeper dagestanden. Stattdessen regelt sie die Nachfolge wirtschaftlich mit einer schwarzen Null und sportlich mit Einbußen, die gravierender hätten ausfällen können. Der ablösefreie Abgang Marcus Thurams wird im Angriff schwieriger zu kompensieren sein.
Borussia hat Stärke bewiesen in den Verhandlungen mit den Bayern, fast genau ein Jahr nach Max Eberls Rückzug, der eine Zäsur war. Was Virkus seitdem geschafft hat, das muss Omlin als Sommers Nachfolger erst einmal schaffen, das kann er sich zum Ziel setzen: eine Lücke schließen, eigene Akzente setzen und sofort abliefern, wenn es darauf ankommt.
Bei diesem Deal standen vor allem Zahlen – Millionenbeträge und Vertragslaufzeiten – im Fokus. Dabei sollte nicht untergehen, dass Sommer sich in Gladbach, selbst wenn das Wort nicht so inflationär häufig verwendet würde, Legendenstatus erarbeitet hat. Er hat den Verein geprägt. Als Vize-Kapitän, als Aushängeschild, mit dem Ball in der Hand und am Fuß, mit Erfolgen, die für Borussia – da darf ein Ex-Sportdirektor noch mal zitiert werden – „gefühlte Meisterschaften“waren.
Mit Eberl ist Borussia nicht im Guten auseinandergegangen, da wurde noch einmal klar, wie schwierig es nicht nur im Fußball ist, nach vielen gemeinsamen Jahren eine saubere Trennung hinzubekommen. Mit Sommer hat es funktioniert, wie aus dem Verein zu hören ist, es ist kein Porzellan zerschlagen worden. So sind beide Parteien in dieser Angelegenheit Gewinner, die Bayern haben vor allem Schadensbegrenzung betrieben.
Wer die dankbaren Reaktionen der Fans im Internet liest, der kann sich nicht ausmalen, dass Sommer bei seiner Rückkehr nach Gladbach Pfiffe über sich ergehen lassen muss, so wie viele seiner Vorgänger, die zum FC Bayern gingen. Schon am 18. Februar ist es so weit, dann dürfte Sommer gefeiert werden – zumindest bis zum Anpfiff.