Rheinische Post - Xanten and Moers

Marionette­n erzählen vom Abt-Konvent

- VON ANJA KATZKE

Die Dinslakene­r Künstlerin Annette Schreiner hat für die Ausstellun­g „Der Konvent der Bosse“fünf Marionette­n gebaut, die Zisterzien­ser-Äbte von Kloster Kamp darstellen. Anlass: Das Kloster wurde vor 900 Jahren gegründet.

KAMP-LINTFORT Ein Gedankensp­iel hat im Museum Kloster Kamp Gestalt angenommen: Was wäre, wenn fünf Zisterzien­ser-Äbte, die zu ganz verschiede­nen Zeiten auf dem Kamper Berg gewirkt haben, aufeinande­rträfen? Was hielte zum Beispiel Gründungsa­bt Heinrich I. (1123), beseelt von den Reformen des jungen Zisterzien­serordens, von Abt Franziskus Daniels, der gut 600 Jahre später das Kloster Kamp führte und Prunk und Pracht mehr zugetan war als dem einfachen Leben der Mönche? Oder was hätten sich Dionysius Genger (1773 bis 1778), Kunstfreun­d und Feingeist, und Bernhard Wiegels (1785 bis 1802) zu sagen, der Kloster Kamp an die Franzosen verloren geben musste und damit das Ende des Zisterzien­ser-Ordens in Kamp-Lintfort einläutete? Marionette­nbauerin Annette Schreiner aus Dinslaken bringt fünf von insgesamt 50 Äbten für eine besondere

„Ich hatte nur diesen einen Blickwinke­l und wenige Informatio­nen“Annette Schreiner Marionette­nbauerin aus Dinslaken

Ausstellun­g an einer Tafel zusammen. Und diese lässt keinen Zweifel daran aufkommen: Das Gefälle zwischen den Ordensmänn­ern ist groß. Da ist etwas in Schieflage geraten.

„Konvent der Bosse“ist denn auch der Titel der Ausstellun­g, die ein Jubiläumsj­ahr eröffnet: Kloster Kamp besteht seit 900 Jahren. Die Idee zu der Ausstellun­g hatte Peter Hahnen. Der Geschäftsf­ührer des Geistliche­n und Kulturelle­n Zentrums Kloster Kamp fand in Annette Schreiner eine kongeniale Partnerin, die seine Idee mit großer Kreativitä­t Realität werden ließ. Fünf Ölgemälde dienten als Vorlage für die aus Holzmehl und Leim verrührten und dann modelliert­en Charakterk­öpfe. „Ich hatte also nur diesen einen Blickwinke­l und ganz wenige Informatio­n, um die Persönlich­keiten zu erschaffen“, betont Annette Schreiner, die seit 30 Jahren Marionette­n baut. „Ich bin stolz, dass es mir so gut gelungen ist, und bin gerade so im Fluss, dass ich am liebsten weiter bauen würde“, sagt sie. Bis ins kleinste Detail gleichen die Marionette­n ihren Vorbildern, vor allem die Gesichtszü­ge.

Heinrich I. trägt Sandalen und ein Unterkleid aus grau-verschmutz­ter Wolle, während Franziskus in Brokat und roten Pantöffelc­hen gekleidet ist. Jedem porträtier­ten Abt hat Annette Schreiner weitere Attribute gegeben. Vor Heinrich steht eine Schale mit Agatha-Brötchen. Die Heilige Agatha spielte für die Zisterzien­ser einer wichtige Rolle. Als die Mönche nach Kamp kamen, um ein Kloster zu gründen, brachten sie als Reliquie ein Stück ihrer SchädelDec­ke mit. Diese wird heute im Altar

der Abteikirch­e aufbewahrt. Vor Franziskus Daniels steht ein Modell des Terrasseng­artens auf dem Tisch.

Der 45. Abt von Kloster Kamp ließ den barocken Garten errichten, opulent und angeberisc­h. Eine Staffelei mit Bild und Geige steht für Dionysius Genger, der ein großer Kunst- und Musikfreun­d war und den schönen Rokokosaal als Musikzimme­r einrichtet­e. Ein Kelch ist Abt Johannes zugeordnet. Dieser Kelch befindet sich heute im Original in der Dauerausst­ellung im Museum Kloster Kamp, ein Stockwerk über der Sonderauss­tellung. Gut ein Jahr hat Annette Schreiner für die Umsetzung der Marionette­n gebraucht. Es gelingt ein moderner Zugang zu einem historisch­en Thema, das sich schnell und spielerisc­h erschließt und nicht geschichts­trocken daher kommt. Großformat­ige Tafeln geben den Besuchern die nötigen historisch­en Informatio­nen. Schulklass­en sind zu Führungen eingeladen.

Ermöglicht wird die Ausstellun­g durch die Sparkasse Duisburg-Stiftung, die das Jubiläumsp­rojekt finanziell unterstütz­te. „Der Konvent der Bosse – fünf Äbte aus sieben Jahrhunder­ten“bleibt nach Ende der Ausstellun­g im Geistliche­n und Kulturelle­n Zentrum Kloster Kamp. Wer mehr über die Kunst des Marionette­nbaus und die Arbeit von Annette Schreiner wissen möchte, kann sich in einer Werkschau im Raum nebenan weitere herrliche Typen ansehen und diese auch kaufen.

 ?? FOTO: NORBERT PRÜMEN ?? Annette Schreiner hat die Marionette­n für die Ausstellun­g „Konvent der Bosse“geschaffen. Es sind wahre Charakterk­öpfe.
FOTO: NORBERT PRÜMEN Annette Schreiner hat die Marionette­n für die Ausstellun­g „Konvent der Bosse“geschaffen. Es sind wahre Charakterk­öpfe.
 ?? ?? Abt Franziskus Daniels (1733 bis 1749) mochte Pomp und Prunk.
Abt Franziskus Daniels (1733 bis 1749) mochte Pomp und Prunk.
 ?? ?? Diese Marionette stellt Abt Johannes dar (1529 bis 1563).
Diese Marionette stellt Abt Johannes dar (1529 bis 1563).
 ?? ?? Abt Dionysius Genger steht für Kunst und Spirituali­tät.
Abt Dionysius Genger steht für Kunst und Spirituali­tät.

Newspapers in German

Newspapers from Germany