Rheinische Post - Xanten and Moers
A45-Brücke wird Thema im Landtag
SPD, FDP und AfD erheben an diesem Mittwoch Vorwürfe gegen die Landesregierung. Es geht um gelöschte E-Mails zwischen Staatskanzlei und Verkehrsministerium und um die Frage, wann Hendrik Wüst von dem Fall Kenntnis hatte.
DÜSSELDORF Der Fall der gelöschten E-Mail-Korrespondenz zwischen der Staatskanzlei und dem Verkehrsministerium zur A45-Brücke hat ein parlamentarisches Nachspiel. Alle drei Oppositionsparteien im Düsseldorfer Landtag beantragten für diesen Mittwochmorgen eine Aktuelle Stunde zu Beginn des Plenums, um die Landesregierung mit den Vorwürfen zu konfrontieren.
Die SPD-Fraktion erklärte, es handele sich womöglich um „eklatante Verstöße gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Aktenführung, die auf dem Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes beruhen“. Die FDP warf der Landesregierung ein Desinteresse vor, die Vorgänge aufzuklären. Das werfe erhebliche Fragen auf.
Am Wochenende war durch Recherchen des Online-Nachrichtenportals „t-online.de“bekannt geworden, dass E-Mails zwischen der Staatskanzlei und dem Verkehrsministerium gelöscht worden waren. Die Korrespondenz bricht an entscheidender Stelle ab. Beide Behörden erklärten daraufhin, dass der elektronische Briefverkehr offensichtlich nicht zu den Akten genommen wurde. Das sei aber eine „übliche Handhabung bei vergleichbaren Informationsbeschaffungen“, so die Staatskanzlei.
Die Aufbewahrung von E-MailVerkehr richte sich nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Aktenführung, erklärte ein Sprecher der Staatskanzlei auf Anfrage. Ziel sei eine vollständige Dokumentation von aktenrelevanten Vorgängen. Einzelheiten hierzu seien in der gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes niedergelegt. „Die Beurteilung der Aktenrelevanz im Einzelfall obliegt der für die Bearbeitung der Sache zuständigen Person“, sagte der Sprecher. Die Grundsätze seien im Intranet hinterlegt und für die Mitarbeitenden jederzeit einsehbar. Auf deren Einhaltung werde fortlaufend anlassbezogen hingewiesen, etwa im Zusammenhang mit der Einführung von E-Akte und E-Laufmappe oder bei der Aussonderung von Vorgängen nach der Registraturund
Aktenordnung, so der Sprecher.
In dem Streit geht es im Kern darum, ob der damalige Verkehrsminister und heutige Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) über die Vorgänge rund um den Talbrückenneubau informiert war oder womöglich selbst eine Verschiebung veranlasst hat. Der Neubau der Brücke war ursprünglich bereits für 2019 geplant, wurde aber mehrfach in die Zukunft verschoben. Wüst hatte in einem Interview mit dem „Westfälischen Anzeiger“im Frühjahr des vergangenen Jahres erklärt: „Wann welches Bauwerk saniert wird, ist eine fachliche Entscheidung, die im Übrigen vor meiner Amtszeit getroffen wurde.“
Nach Unterlagen, die unserer Redaktion vorliegen, war Wüst für mehrere Vor-Ort-Termine in der Region zu dem Brückenprojekt gebrieft worden. Demnach war zunächst noch von einem Neubau ab 2019 die Rede. Doch schon in einer Terminvorbereitung aus dem März 2018 ist der Baubeginn auf 2020 verschoben, Ende des Jahres 2019 taucht dann als Starttermin 2022 in den Dokumenten auf, im Mai 2020 heißt es in einer entsprechenden Unterlage für Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU), dass die Bauphase nunmehr für 2026 bis 2030 angesetzt sei.
Aufgrund der Sperrung ohne Ersatzbau fahren täglich rund 20.000 Fahrzeuge, davon rund 6000 Lkw, über Umleitungsstrecken durch Lüdenscheid. Für die Bürger und Unternehmen der Region stellt das eine erhebliche Belastung dar.
Der Sprecher der Staatskanzlei erklärte: „Die Landesregierung hat sich wiederholt zu dem Themenkomplex geäußert. Sie wird ihrer Transparenzpflicht selbstverständlich auch weiterhin nachkommen.“
Derweilen wird immer deutlicher, wie gravierend das Brückenproblem an den Autobahnen in NRW ist. So geht aus einer Antwort des NRW-Verkehrsministeriums auf eine Anfrage des FDP-Politikers Christof Rasche hervor, dass laut dem Bundesverkehrsministerium 873 Teilbauwerke in NRW als besonders sanierungsbedürftig gelten. Diese schiere Masse dürfte zum Kapazitätsproblem werden. Denn im Jahr 2018 wurden an 173 Teilbauwerken Erhaltungsmaßnahmen ausgeführt, 2019 an 157 Teilbauwerken und 2020 an 173 Teilbauwerken. Das Ministerium verweist jedoch vorsorglich darauf, dass aus den Daten keine Rückschlüsse auf Art und Umfang der durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen möglich seien. Nach Angaben der Autobahngesellschaft wurden im Jahr 2021 31
Brückenteilbauwerke instand gesetzt, verstärkt oder erneuert. Auf das Jahr 2022 entfallen 43 Brückenteilbauwerke.