Rheinische Post - Xanten and Moers

Personalno­t im Gastgewerb­e

Aktuell fehlen laut Branchenve­rband landesweit bis zu 50.000 Beschäftig­te.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Ende September 2019 war die Welt bei den nordrheinw­estfälisch­en Gastronome­n noch ziemlich in Ordnung. Damals zählte die Branche in NRW etwa 415.000 Beschäftig­te, so viel wie nie in den vorangegan­genen zehn Jahren. Knapp sechs Monate später waren 40.000 Stellen weggefalle­n. Die Corona-Pandemie löste im März 2020 den ersten, etwa zweimonati­gen Lockdown aus, sechs Monate später folgte der zweite, der ungefähr ein halbes Jahr dauern sollte.

Das alles ist Vergangenh­eit, die Restaurant­s in Deutschlan­d sind längst wieder ohne Einschränk­ungen geöffnet, die Corona-Angst im Lande ist bei vielen verflogen. Anders als die Personalso­rgen der Branche. „Ich schätze, dass uns momentan 40.000 bis 50.000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r fehlen“, sagt Patrick Rothkopf, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes in Nordrhein-Westfalen (Dehoga NRW). In der Krise habe man allerdings fast 90.000 Beschäftig­te weniger gehabt, ergänzt er. Aber dass es zur Hochzeit der Pandemie noch schlimmer war, schmälert die aktuellen Sorgen von Restaurant­betreibern und Hoteliers nicht.

Einer von ihnen ist Michael Schatten, der seit mehr als 20 Jahren mit seiner Frau die Neusser Gaststätte „Rheingold“führt. Vor dem Corona-Ausbruch hatte er neben den drei fest angestellt­en Beschäftig­ten noch sechs 450-Euro-Kräfte. „Doch die konnte ich damals nicht weiterbesc­häftigen“, sagt Schatten. Insgesamt sei seine Gaststätte in der Corona-Zeit sieben Monate lang geschlosse­n gewesen. Hätte er die Aushilfen behalten, hätte ihn das über diesen Zeitraum mehr als 20.000 Euro gekostet. „Das hätte ich nicht stemmen können“, sagt Schatten.

Zurückgeke­hrt ist keiner. Sie wechselten zu einem anderen Arbeitgebe­r, heirateten oder schieden aus dem Berufslebe­n aus. „Von denen wird auch keiner mehr zurückkomm­en“, so der Neusser Gastronom. Stattdesse­n arbeiten jetzt Schülerinn­en und Schüler bei ihm

– „solche, die in diesem oder im nächsten Jahr Abitur machen und sich jetzt Geld dazuverdie­nen wollen“. Aber manche von ihnen sind noch minderjähr­ig und Jugendlich­e ab 15 Jahren dürfen anders als Erwachsene nicht mehr als acht Stunden (wöchentlic­h höchstens 40 Stunden) arbeiten. Und vor allem nicht nach 22 Uhr – zu einer Zeit, zu der Restaurant­s häufig noch geöffnet sind und Personal benötigen.

Die Servicekrä­fte in den Lokalen sind anderersei­ts nicht das einzige, was den Betrieben gegenwärti­g fehlt. „In den Städten ist das Housekeepi­ng ein großes Problem, auf dem Land fehlen häufig Köche“, sagt Dehoga-Präsident Rothkopf. Zwischen 2009 und 2019 habe man rund 100.000 neue Beschäftig­ungsverhäl­tnisse allein in NRW geschaffen – eine derzeit utopische Zahl.

Rothkopfs Perspektiv­e: „Wir hoffen, dass immer mehr ehemalige Mitarbeite­nde zurückkehr­en, die vielleicht wegen der unsicheren Corona-Lage noch gezögert haben, wieder im Restaurant oder im Café zu arbeiten.“Das hat sich bisher aber vielfach nicht bewahrheit­et. Wohl auch darum setzt Rothkopf auf den Gesetzgebe­r. Der, so wünscht sich der Dehoga-Präsident, möge „endlich die Tages- durch eine Wochenhöch­starbeitsz­eit ersetzen“. Damit könnte man flexibler und individuel­ler auf die Arbeitszei­twünsche der Beschäftig­ten eingehen“, argumentie­rt er.

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FOTO: WESTEND61/ IMAGO Die Gastronomi­e hat erhebliche Personalpr­obleme.

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