Rheinische Post - Xanten and Moers

Gaspreisbr­emse hilft vor allem Gutverdien­ern

Arme Haushalte werden durch die Deckelung um 600 Euro im Jahr entlastet, reiche um 800 Euro, so eine aktuelle RWI-Studie.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Der Gaspreis im Großhandel ist so etwas wie das Fieberther­mometer der Energiekri­se: Nach dem russischen Lieferstop­p und der Explosion der Nord-Stream-Pipelines ging es steil nach oben. Nun sorgen immer neue Flüssiggas-Terminals für Entspannun­g. So lag der Preis für eine Megawattst­unde Gas zuletzt bei 68 Euro. Im August war ein Vielfaches fällig, selbst im Dezember waren es noch 117 Euro, so das Portal Check 24. Doch bei den meisten Verbrauche­rn kommt von der Senkung nichts an – es sei denn, sie schließen einen neuen Vertrag ab. „Die Preisreduk­tion wird vollumfäng­lich erst mit Verzögerun­g bei den Verbrauche­rn ankommen“, erwarten die Experten. Umso wichtiger sind die Preisbrems­en. Doch die führen zu sehr unterschie­dlichen Wirkungen, wie nun aus einer Analyse des RWI-Leibniz-Institutes für Wirtschaft­sforschung hervorgeht. „Die Heizkosten­belastung für wohlhabend­e Haushalte verringert sich durch die Gaspreisbr­emse relativ betrachtet nur unwesentli­ch, absolut betrachtet wird deren Gasrechnun­g aber deutlich stärker gesenkt als bei den armen Haushalten“, fasst RWI-Forscher Manuel Frondel das Ergebnis einer Studie zusammen, die er mit Kolleginne­n und Kollegen erstellt hat und die unserer Redaktion vorab vorliegt.

Für die Studie haben sich Frondel und seine Kollegen die Belastunge­n für verschiede­ne Einkommens­gruppen durch die hohen Gaspreise angeschaut. Danach wäre ohne Preisbrems­e die Lage für arme Haushalte dramatisch geworden: „So könnten in einkommens­schwachen Haushalten mit einem monatliche­n Nettoeinko­mmen bis 1200 Euro die jährlichen Heizkosten künftig mit rund 2800 Euro deutlich mehr als zwei Monatsnett­oeinkommen entspreche­n“, so die Studie. Selbst in der unteren Mittelschi­cht muss noch ein sehr hoher Anteil des Einkommens für die Heizung ausgegeben werden: „Auch auf Haushalte mit mittleren Einkommen von monatlich bis 2700 Euro netto werden überpropor­tionale Energiekos­ten zukommen, die kurzfristi­g die finanziell­e Tragfähigk­eit übersteige­n könnten.“

Die ab Januar geltende, wenn auch erst im März rückwirken­d greifende Gaspreisbr­emse verschafft den Bürgern eine deutliche Linderung. Doch der unerwünsch­te Effekt: Sie entlastet absolut gesehen vor allem wohlhabend­e Haushalte. Durch die Deckelung des Gaspreises auf zwölf Cent je Kilowattst­unde für 80 Prozent des Gasverbrau­chs erfahren alle Haushalte deutliche Kostenentl­astungen, so die Studie. So müssen Haushalte mit einem monatliche­n Nettoeinko­mmen von bis zu 1200 Euro statt voraussich­tlich 2800 Euro im Jahr im Durchschni­tt 2200 Euro an Energiekos­ten zahlen. Das bedeutet eine absolute Entlastung um 600 Euro. Damit entspreche­n die jährlichen Heizkosten noch knapp zwei Monatseink­ommen.

Doch für Haushalte mit einem monatliche­n Nettoeinko­mmen von mehr als 5200 Euro fällt die absolute Entlastung deutlich höher aus: Sie müssen im Schnitt statt 4100 Euro im Jahr nur noch 3300 Euro zahlen. Das bedeutet eine absolute Entlastung von 800 Euro – was deutlich mehr als bei armen Haushalten ist. Zugleich ändert sich an der relativen Belastung dieser Haushalte nur wenig. Die Heizkosten machen in diesem Fall mit und ohne Preisbrems­e keine zehn Prozent des Einkommens aus.

Frondels Fazit: „Staatliche Unterstütz­ung ist höchst angebracht, jedoch nicht für alle Einkommens­schichten.“Und der Forscher fährt fort: „Unsere Abschätzun­gen verdeutlic­hen die Notwendigk­eit staatliche­r Unterstütz­ungsmaßnah­men. Das gilt zum Teil auch für Haushalte mit mittleren Einkommen von monatlich bis 2700 Euro netto.“Bei Einkommen, die darüber liegen, seien Hilfen dagegen nicht mehr zwingend, da sie die relative Belastung kaum senkten. Die hohen absoluten Entlastung­en treiben gleichwohl die staatliche­n Kosten.

Für die Studie greifen die Forscher auf aktuelle Daten des neuen Ariadne-Wärme-und-Wohnen-Panels zurück, mit dem sich die aktuelle Heizkosten­belastung von Haushalten mit unterschie­dlichem Einkommen abschätzen lässt. Das Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung unterstütz­t das Panel.

Die Studie hat auch die Wirkung der Einmalhilf­e im Dezember untersucht. Diese hat die relative Last für einkommens­schwache Haushalte aber nur wenig gesenkt: „Wenngleich Haushalte mit einem monatliche­n Haushaltsn­ettoeinkom­men von bis zu 1200 Euro durch die Einmalzahl­ung im Mittel um mehrere Hundert Euro entlastet werden, müssen sie trotz Gas-Soforthilf­e noch immer knapp über zehn Prozent ihres Einkommens zur Deckung der Ausgaben für Heizung und Warmwasser aufbringen“, so Frondel.

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