Rheinische Post - Xanten and Moers

Comeback der Hoffnungst­räger

- VON KARSTEN KELLERMANN UND SEBASTIAN BERGMANN

Nach ihren Kreuzbandv­erletzunge­n sind Florian Neuhaus und Florian Wirtz zurück im Rampenlich­t der Bundesliga.

MÖNCHENGLA­DBACH Es war durchaus überrasche­nd, dass Xabi Alonso, der Trainer von Bayer Leverkusen, beim Spiel bei Borussia Mönchengla­dbach Florian Wirtz nicht von Beginn an aufstellte. Der 19-Jährige war in den vergangene­n Tagen erkältet und wurde daher zunächst geschont. 16 Minuten durfte er am Ende beim 3:2-Sieg noch mitspielen. Es war der erste Einsatz seit dem 13. März 2022, als sich der Hochtalent­ierte ausgerechn­et im Derby gegen den 1. FC Köln, seinem Ursprungsk­lub, das Kreuzband riss. 315 Tage später kehrte er nun zurück. Als Hoffnungst­räger Bayers sowieso. Aber auch des deutschen Fußballs.

Bei der Weltmeiste­rschaft in Katar fehlte Wirtz, dass seine Spielfreud­e, seine Gabe, das Spiel zu lesen und zu initiieren, vielleicht einen Unterschie­d gemacht hätte, ist spekulativ. Klar ist aber: „Er macht unsere Mannschaft besser“, sagt Alonso über den Teenager. Das weiß auch der neue Sportdirek­tor der Nationalma­nnschaft, Rudi Völler. Er sagte noch als Mitglied im Gesellscha­fteraussch­uss in Leverkusen über Wirtz: „Mit ihm ist unser Spiel ein anderes.“Bestenfall­s soll Wirtz diese These künftig auch im Nationalte­am belegen.

In Gladbach gibt es ebenfalls einen, der noch Ambitionen hegt, künftig eine Rolle in der nationalen Auswahl zu spielen. Er hat nicht den Wunderkind-Faktor von Wirtz, doch auch Florian Neuhaus ist ein technisch beschlagen­er, spielintel­ligenter Akteur, der in der WM-Qualifikat­ion einige Ausrufezei­chen setzte bei Bundestrai­ner Hansi Flick, dann aber ein Tief hatte und sich schließlic­h verletzte am 11. September beim 0:0 in Freiburg. Für die Reise in die Wüste wurde er nicht fit, gegen Bayer nun kehrte auch Neuhaus zurück, er bemühte sich 13 Minuten, die Niederlage zu verhindern.

Wie Wirtz ist Neuhaus für seinen Klub ein Hoffnungst­räger, wenn es darum geht, in den letzten 18 Spielen noch den Europapoka­l anzugreife­n. Beide Rheinland-Klubs sind in Lauerstell­ung, durch den Sieg ist Bayer vorangekom­men, während Gladbach stagniert und abzufallen droht. Wirtz hat vor der Saison bis 2027 verlängert, und sein Vater Hans-Joachim, der den Filius auch berät, hat noch einmal klargestel­lt, dass er bis zur EM bei Bayer bleiben wird. Bis 2024 ist der Vertrag von Neuhaus datiert, aktuell arbeiten die

Borussen daran, ihn darüber hinaus zu binden. Neuhaus soll wie Wirtz in Leverkusen einer der Anführer der kommenden Gladbach-Mannschaft sein.

Auch er kann einem Spiel Impulse geben, aus einer etwas tieferen Position heraus mithin, bestenfall­s als Achter, der ein gutes Stück Spielfeld vor sich hat. Nach nur viereinhal­b Monaten steht er seinem Trainer Daniel Farke wieder zur Verfügung. Doch der weiß, dass er noch nicht den ganzen Neuhaus erwarten kann. „Bis er wieder im Pulk ist, wo es darum geht, ganz handlungss­chnell die richtigen Entscheidu­ngen zu treffen, wird es noch dauern. Zumindest über 90 Minuten, das steht fest. Da müssen wir noch ein bisschen Geduld mitbringen. Aber er wird viele Einsätze in der Rückrunde bekommen“, sagte Farke.

Christoph Kramer ist derzeit Farkes Zehner, er soll Ruhe ins Spiel bringen, doch geht ihm Torgefahr weitgehend ab. Neuhaus ist auf der Position hinter den Spitzen vielleicht etwas zu nah dran am Tor, doch kann er mit Schnittste­llenpässen und tiefen Läufen die Abwehrreih­en immer wieder aufreißen. Beides hätte Sonntag geholfen.

Alonso muss sich bei Wirtz nicht mehr gedulden. Was der Teenager für Leverkusen bedeutet, zeigte die Reaktion der Fans bei seiner Einwechslu­ng: Fast wie ein Tor wurde diese bejubelt. Im Heimspiel gegen den VfL Bochum am Mittwoch (20.30 Uhr) wird Wirtz beginnen, da legte sich Alonso fest. „Ich glaube, dass er bereit für die Startelf ist. Wir brauchen ihn“, sagte der Spanier. Alonso hat viel vor mit Bayer, ein Spieler, der sagt „Ich träume groß“wie Wirtz, ist da enorm nützlich. Alonso war selbst ein Fußballer dieser Machart: ein Unterschie­dsspieler.

Neuhaus war, was das angeht, schon weiter. Aber er hat dazugelern­t als Sechser, ist robuster und laufstärke­r geworden. Nun muss er mit seiner ersten großen Verletzung umgehen – wie Wirtz. Der wurde von Bayer bewusst behutsam über fast ein Jahr wieder herangefüh­rt, um bloß nichts zu gefährden. Nun muss Alonso die richtige Dosierung finden für die Wirtz-Rückkehr. Wie Farke bei Neuhaus. Gefühlt braucht er seinen Hoffnungst­räger aber dringender. Ob er Neuhaus aufgrund der Gesamtlage (Marcus Thuram fehlt wohl weiter, Lars Stindl ist gelbgesper­rt) am Mittwoch beim FC Augsburg dennoch von Beginn an spielen lässt, ist daher nicht ausgeschlo­ssen.

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FOTO: D. INDERLIED/DPA Zwei Nationalsp­ieler im direkten Duell: Gladbachs Florian Neuhaus (l.) und Leverkusen­s Florian Wirtz.

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