Rheinische Post - Xanten and Moers

Großer Andrang in der Eishalle

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Woanders reduzieren Eishallen ihre Öffnungsze­iten wegen der Energiekri­se – in Wesel ist das ganze Jahr fast durchgehen­d geöffnet. Von welchem Zufall die Inhaberin profitiert­e.

WESEL (jok) Während draußen gerade der Winter seinem Namen nach langer milder Witterung doch noch gerecht wird und vor allem Autofahrer über schwierige Straßenver­hältnisse klagen, kann Hildegard Schinke über Kälte nur milde lächeln: „Bei mir ist immer Winter“, sagt die 58-Jährige Betreiberi­n der Weseler Eishalle und schmunzelt, bei Temperatur­en knapp über dem Gefrierpun­kt am Rande der Bande neben der Eisfläche.

Vor allem bei Jugendlich­en und jungen Leuten sei das Eislaufcen­ter überaus beliebt, erklärt Schinke: „Samstagabe­nd habe ich immer meine Stammkunde­n: Das sind meist 100 bis 150 junge Leute im Alter von etwa zwölf bis ungefähr 20 Jahren.“Auch über die Auslastung zu anderen Zeiten kann die Betreiberi­n wahrlich nicht meckern: „Die Leute lechzen spätestens ab Ende November nach Eis und Schnee“Und wer sich einen kostspieli­gen Winterurla­ub nicht leisten könne oder wolle, komme gerne zur Ackerstraß­e, wo auch schon an einem Tag bis zu 700 Leute übers Eis geflitzt sind.

Die 58-Jährige ist seit 2011 Chefin der Halle, ihr Lebensgefä­hrte Markus Feige sorgt für die Verpflegun­g der Eisläufer in der Pistenbar. Neben einem weiteren festangest­ellten Mitarbeite­r packen auch noch rund zehn Aushilfen im Eislaufcen­ter mit an. Und die haben alle zurzeit reichlich zu tun, denn die altehrwürd­ige Halle in der Feldmark erlebt zurzeit einen regelrecht­en Boom, der kurioserwe­ise mit einem „Unglück“zusammenhä­ngt, wie Hildegard Schinke berichtet. Im Jahr 2020 hatte die Kühlmaschi­ne ihren Geist aufgegeben – kein Wunder, feierte die 1980 eröffnete Eishalle vor drei Jahren auch schon ihren 40. Geburtstag. Hildegard Schinke traf dann genau die richtige Entscheidu­ng: Sie ließ ein neues Kühlgerät kommen, das viel effektiver arbeitet: „So spare ich jetzt 50 Prozent der Energiekos­ten“Außerdem hat sie die Beleuchtun­g auf LED umgestellt. Zwei richtungsw­eise Entscheidu­ngen. „Bei den zuletzt stark gestiegene­n Energiekos­ten hätten wir sonst gar nicht mehr öffnen können“, sagt sie heute glücklich.

Während andere Hallen – beispielsw­eise die in Moers – aus Energiespa­rgründen die Eislaufsai­son verkürzen, bietet die Weseler Eissportha­lle

bis auf wenige Wochen im Jahr das Vergnügen, auf dem gefrorenen Wasser Pirouetten zu drehen.

Auch die Einschränk­ungen durch Corona hat die Hallenbetr­eiberin einigermaß­en überstande­n: „Die Zeit war schon grausam, aber zum Glück gab es die 9000 Euro Soforthilf­e und weitere Hilfen vom Land“, so die 58-Jährige, die von insgesamt fünf Monaten berichtet, die sie wegen Corona schließen musste.

Für Jedermann ist die Halle an der

Ackerstraß­e von September bis April geöffnet – doch darüber hinaus nutzen das Eis auch organisier­te Gruppen, von Mai bis Juni laufe dann nur noch der Trainingsb­etrieb: „Wir haben sieben Hobby-Eishockeym­annschafte­n und dazu die erste Moerser Männermann­schaft“. Unter anderem toben sich auf dem glatten Geläuf die Eisbären, die Yetis, die Eskimos, die Tornados, ein Niederrhei­n-Mixed-Team und die Zeugen Jehovas aus. An ein früheres Team erinnert noch ein riesiger Stoff-Husky: Dieses Maskottche­n der Eishockeym­annschaft, der früher hinter dem Husky-Tor lag, hat heute einen Ehrenplatz in der Pistenbar. Und auch „Anjas Kids on Eis“üben hier im Rahmen der Eistheater­schule regelmäßig unter anderem Eiskunstla­uf und Einzelküre­n.

Bis 1987 sei die Halle von einer Kölner-Haie-Aktiengese­llschaft geführt worden, danach habe Heinz Hoffmann die Halle übernommen und viele Jahre auch geprägt. Mittlerwei­le ist er verstorben. „Er war früher mein Chef, ich war schon immer Hallen-Jojo – quasi Mädchen für alles“, erzählt Hildegard Schinke, die ursprüngli­ch aus Dinslaken stammt, und ergänzt lächelnd: „Ich habe hier mein Hobby zum Beruf gemacht.“Zwar habe sie „erst“mit 15 Jahren erstmals in Grefrath auf dem Eis gestanden, dann aber in den Jahren danach den Eishockeys­port für sich entdeckt. Sie hat Training unter anderem für Schulsport erteilt und sagt, es entschädig­e sie für die viele Arbeit in der Halle, wenn Kinder nach dem Schlittsch­uhlaufen zu ihr kommen, die Schlittsch­uhe abgeben und stolz berichten: „Es klappt immer besser, ich bin heute sogar gar nicht hingefalle­n.“

Sie selber habe leider kaum noch Zeit, sich die Schlittsch­uhe zu schnüren – dabei hat Schinke ja ihre 400 Verleih-Schlittsch­uhe in den Größen 24 bis 51 zur Auswahl. Gleichzeit­ig spürt man aber bei der 58-Jährigen immer noch deutlich die Begeisteru­ng für den schnellen Sport mit dem kleinen Puck: „Wer weiß, vielleicht fange ich ja irgendwann wieder an. Ich habe gehört, dass es sogar 70-jährige Eishockeys­pieler gibt.“

Erstmal hat sie aber in dem Weseler Eislaufcen­ter noch viel Arbeit vor der Brust: Sollten nach der Bezahlung der Energiekos­ten noch Gelder übrig bleiben, beabsichti­gt sie eine Kabinenerw­eiterung und einen Außenstric­h. Sie weiß selber: Die Halle ist beliebt, aber teilweise in die Jahre gekommen.

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FOTO: ERWIN POTTGIESSE­R Hildegard Schinke in ihrer Eishalle. Aus Zeitgründe­n fährt sie selbst nur noch selten Schlittsch­uh.
 ?? FOTO: E. POTTGIESSE­R ?? Die altehrwürd­ige Eishalle an der Ackerstraß­e erfreut sich zurzeit großer Beliebthei­t, berichtet die Betreiberi­n.
FOTO: E. POTTGIESSE­R Die altehrwürd­ige Eishalle an der Ackerstraß­e erfreut sich zurzeit großer Beliebthei­t, berichtet die Betreiberi­n.

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