Rheinische Post - Xanten and Moers
Das Grauen steht mit auf der Bühne
Mit der Adaption des Romans „Alles ist erleuchtet“präsentierte die Burghofbühne Dinslaken einen beeindruckenden Theaterabend.
WESEL (eka) Literaturbearbeitungen für die Bühne sind eine Kunst für sich. Wenn ein Roman dann auch noch verfilmt ist, wird es erst recht schwierig, weil das Publikum bereits ein Bild im Kopf hat. Intendant Mirko Schombert von der Burghofbühne Dinslaken hat sich trotzdem an „Alles ist erleuchtet“des amerikanischen Autors Jonathan Safran Foer gewagt, selbst Regie geführt und damit am Freitag im Bühnenhaus trotz kleiner Unebenheiten für einen sehr beeindruckenden Theaterabend gesorgt.
Das Stück erzählt die Geschichte eines jungen jüdischen Amerikaners (Matthias Guggenberger), der durch die Ukraine reist, um das jüdische Schtetl Trachimbrod zu finden, in dem sein Großvater lebte, bevor er vor den Nazis flüchten musste. Als die Burghofbühne das Stück 2020 auf den Spielplan setzte, herrschte in der Ukraine bereits
Krieg, aber Putins „Spezialoperation“hatte noch nicht begonnen, berichtet Schombert vorab im Foyer-Gespräch. Man habe sich dann bei den Proben im vergangenen Jahr entschieden, auf den aktuellen Krieg nicht explizit einzugehen, doch „das Grauen dieses Krieges schwingt mit“, sagt er.
Die bewegendste Szene des Stücks, in der eine ausdrucksstarke Norhild Reinicke als namenlose
Frau Jonathan, seinem Dolmetscher Alex (Markus Penne) und dessen Großvater ( Jan Exner) berichtet, was damals in der Ukraine unter den Nazis passiert ist, lässt unweigerlich an die russischen Massaker in Butscha oder Irpin denken. Sie werden mit keinem Wort erwähnt, doch wenn die namenlose Frau ihre Erinnerungen schildert, kommen sofort die Bilder fast ausradierter Städte der heutigen Ukraine in den Sinn. „Alles ist erleuchtet“spielt auf verschiedenen Ebenen und es gelang, sie allesamt auf die Bühne zu bringen. Die erste ist Jonathans Roadtrip durch die Ukraine. Zwar versprach sich Markus Penne als Dolmetscher Alex mehrfach und klang gelegentlich, als lese er ab. Die gewitzte Art des jungen Mannes, der eigentlich gar nicht sonderlich gut Englisch kann, konnte er aber dennoch vermitteln. Alex’ humorvolle Art und seine Fähigkeit, sich überall durchzuwurschteln sind es vor allem, die das Stück davor bewahren, lediglich im Drama zu verharren.
Die zweite Ebene ist die Geschichte von Jonathans Familie im Schtetl Trachimbrod. Sie wird als Märchen erzählt und beginnt im 19. Jahrhundert damit, dass Jankel (Arno Kempf) das Mädchen Brod (ebenfalls Norhild Reinicke), Jonathans Urahnin, aus einem Fluss rettet und als Tochter aufzieht. Die Geschichte des Schtetl wurde auch auf einer Leinwand eingeblendet, war aber für das Publikum leider schlecht zu lesen. Die dritte Ebene thematisiert die Entstehung des Romans von Jonathan über die Reise. Schombert inszeniert sie, indem er sie als Briefwechsel zwischen Jonathan und Alex über die Darstellung des Erlebten immer wieder einstreut. Trotz allen Elends steht am Ende eine positive Botschaft: „Wir sind hier und wir sind lebendig“.