Rheinische Post - Xanten and Moers

Weniger Sperlinge und Meisen, mehr Blässgänse und Krähen

Bei der 13. „Stunde der Wintervöge­l“gab es weniger Vögel zu zählen als in den Jahren zuvor. Welche Ergebnisse im Kreis Wesel zusammenka­men und wie sich die steigenden Temperatur­en auf die Bestände auswirken.

- VON BEATE WYGLENDA

KREIS WESEL Kein Schnee und Frost, dafür graues Regenwette­r: Bei der 13. Auflage der „Stunde der Wintervöge­l“, die der Naturschut­zbund (Nabu) jährlich bundesweit ausrichtet, hat das nasskühle Wetter offenbar viele Hobby-Beobachter davon abgehalten, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäus­chen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen. Im Kreis Wesel haben 524 Vogelfreun­de ihre Beobachtun­gen aus 373 Gärten gemeldet. Im Jahr davor war die Resonanz mit 979 Teilnehmer­n und 637 Gärten fast doppelt so hoch. Insgesamt 12.249 Vögel zählten die Freiwillig­en im Kreis während des Aktionszei­traums zwischen dem 6. bis 8. Januar. 2022 waren es 21.641 Vögel gewesen. Doch auch die vergleichs­weise spärlichen Meldungen liefern wichtige Erkenntnis­se für die Experten. Wir geben einen Überblick.

Spitzenrei­ter bei den Sichtungen ist und bleibt der Haussperli­ng, gefolgt von Kohl- und Blaumeise. Jedoch sind bei den häufigen Besuchern im Garten leichte Rückgänge zu verzeichne­n. So sind im Durchschni­tt 6,12 Haussperli­nge pro Garten gesichtet worden. 2022 waren es noch 6,78 Artgenosse­n. Das ist eine Verringeru­ng von zehn Prozent. Auch Kohlmeisen (-14 Prozent) und Blaumeisen (-3 Prozent) sind seltener gesichtet worden.

Die Nabu-Experten wundert das nicht. Sie machen die vergleichs­weise warmen Temperatur­en dafür verantwort­lich. „Die milden Witterungs­bedingunge­n dürften dafür gesorgt haben, dass viele Vögel genügend Futter außerhalb der Siedlungen in der freien Natur finden“, erklärt Vogelschut­zexperte Martin Rümmler. „Sie haben keinen Anlass, die Futterstel­len aufzusuche­n.“

Auffallend ist, dass bundesweit überdurchs­chnittlich viele Gänse gesichtet worden sind. Im Kreis Wesel landete die Blässgans sogar auf Platz vier der Rangliste der häufigsten Sichtungen – noch vor der Amsel.

Im Schnitt 2,73 Blässgänse pro Garten wurden gezählt, das macht ein Plus von fast 295 Prozent zum Vorjahr aus. Auch das erklären die Vogel-Experten mit den milden Temperatur­en. Die Tiere seien dadurch aktiver und somit sichtbarer.

Andere typische Wintergäst­e aus

Nord- und Osteuropa, wie der Bergfink, zeigten sich dagegen sehr viel seltener an den Futterstel­len. Der Bergfink wurde im gesamten Kreis nur zwei Mal gesichtet (-77 Prozent). „Vermutlich sind sie aufgrund des milden Winters in ihren Brutgebiet­en geblieben“, erläutert Nabu-Bundesgesc­häftsführe­r

Leif Miller.

Die steigenden Temperatur­en könnten außerdem der Grund sein, warum Zaunkönig und Türkentaub­e deutlich häufiger gesichtet wurden: Der kleine Zaunkönig fühlt sich besonders in frostarmen, küstennahe­n Regionen in Deutschlan­d wohl und wurde besonders häufig in Schleswig-Holstein gesichtet. Doch auch im Kreis Wesel war er 71 Mal in Gärten zu Gast (+21 Prozent).

Die Population der Türkentaub­e hingegen könnte von den warmen Sommern profitiert haben, in denen die Art erfolgreic­her brütet. Im

Kreis wurden insgesamt 211 Exemplare gemeldet (+20 Prozent). „Die Türkentaub­e ist ein Profiteur steigender Temperatur­en“, sagt Miller. „Sie zeigt insgesamt eine ansteigend­e Tendenz in letzten Jahren.“

Auch bei den Straßentau­ben ist 2023 ein Plus von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichne­n. Im Bestand zugenommen haben darüber hinaus Dohlen, die mit 490 Sichtungen (+10 Prozent) inzwischen auf Platz neun im Ranking liegen und die Rotkehlche­n aus der Hitliste verdrängt haben. Bei Saatkrähen liegt das Plus sogar bei 72 Prozent (239 Sichtungen).

Typische Waldvogela­rten wie Buchfink, Eichelhähe­r, Buntspecht, Kernbeißer wurden hingegen weniger häufig gezählt. „Viele Bäume waren 2022 in einem Mastjahr und haben in der Zeit viele Früchte gebildet“, erklärt Ornitholog­e Martin Rümmler. „Das beschert den Vögeln bis jetzt viel Futter vor ihrer Haustür, und sie fliegen auf Nahrungssu­che seltener in die Siedlungen.“

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FOTO: DPA Ein Haussperli­ng, auch Spatz genannt, sitzt auf einem Halm.
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FOTO: DPA Im Naturschut­zgebiet Bislicher Insel überwinter­n jedes Jahr Zehntausen­de Gänse. Sie sind auch immer häufiger in den Gärten zu sehen.
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FOTO: DPA Die Blaumeise gehört zu den häufigen Besuchern im Garten. Im kreisweite­n Ranking liegt sie auf Platz zwei.
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FOTO: DPA Die Saatkrähe ist im Kreis Wesel auf dem Vormarsch. 72 Prozent mehr Sichtungen hat es jetzt im Vergleich zu 2022 gegeben.

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