Rheinische Post - Xanten and Moers
Gesichtswahrender Ausweg
Die Zusage der Lieferung amerikanischer Panzer hat vor allem politische Bedeutung.
WASHINGTON Eingerahmt von Außenminister Anthony Blinken zu seiner Linken und Pentagon-Chef Lloyd Austin zu seiner Rechten bemühte sich die Choreografie des Weißen Hauses darum, schon optisch eine klare Botschaft des USPräsidenten zu senden. Diese folgte dann auch in verbaler Form: „Wir sind geeint. Amerika ist vereint, und die Welt ist es auch“, erklärte Biden als er um Punkt zwölf Uhr US-amerikanischer Zeit vor die Kameras trat, um die Lieferung von 31 amerikanischen Abrams-M1-Panzer an die Ukraine anzukündigen. „Diese Panzer sind ein weiterer Beweis unserer anhaltenden, unverbrüchlichen Unterstützung für die Ukraine.“
Während der Präsident andeutete, dass es eine Weile dauern könnte, bevor die US-Kampfpanzer in der Ukraine zum Einsatz kommen, machte Biden damit zugleich den Weg für die zeitnahe Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer frei. „Deutschland hat mich nicht gezwungen, meine Meinung zu ändern“, sagte Biden auf die Frage einer Journalistin nach den Gründen für die Kehrtwende bei der Lieferung von Abrams-Panzern.
Der US-Präsident dankte Bundeskanzler Olaf Scholz für „seine Führung“bei dem Thema. Er sei „eine starke Stimme für die Einheit“und ein enger Freund. „Deutschland hat wirklich Verantwortung übernommen.“Vor seinem Auftritt hatte der Präsident bei einer Telefonkonferenz mit Scholz, dem französischen
Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Rishi Sunak und der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni intern den Schulterschluss gesucht.
Zuvor hatte Bundeskanzler Scholz im Deutschen Bundestag die Lieferung bekannt gegeben. „Es ist richtig, dass wir uns nicht haben treiben lassen, sondern dass wir auf diese enge Kooperation in einer solchen Angelegenheit setzen“, verteidigte er das Ringen mit den Amerikanern, das in den USA den Eindruck der Zögerlichkeit erweckt hatte.
Öffentlich widerspricht das Weiße Haus dieser Darstellung nicht. Doch die Art der erzielten Lösung deutet nach Ansicht von Analysten nicht auf einen Sinneswandel der Amerikaner hin, die den Abrams M1 als militärisch wenig geeignet für die Ukraine bezeichnet hatten. Dass der Abrams nach Aussagen eines hohen Mitarbeiters der US-Regierung frühestens im kommenden Herbst, vielleicht sogar erst „in Jahren“in der Ukraine zum Einsatz kommt, unterstreicht den politischen Charakter der Entscheidung. Laut „Politico“soll die Lieferung nicht aus Beständen der US-Streitkräfte kommen, die rund 3500 Panzer zählen, sondern indirekt aus dem „Ukraine Security Assistance“-Programm finanziert werden.
Die Entscheidung der USA machte den Weg frei für die baldige Lieferung von Leopard-Panzern. Der republikanische Senator Lindsey Graham, der das Weiße Haus dazu ermuntert hatte, einen symbolischen Schritt auf die Deutschen zuzumachen, zeigte sich erleichtert, dass der Gordische Knoten endlich durchschlagen werden konnte. „Mit den Panzern hat die Ukraine nun gute Chancen, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen und aus der Ukraine hinaus zu werfen.“