Rheinische Post - Xanten and Moers
Wer Frieden will, muss Frieden vorbereiten
Nun werden sie also geliefert, die – arg beschönigend – sogenannten Leoparden. Beschönigend insoweit, weil man mit Leoparden neben Kraft und Stärke auch so etwas wie Anmut und Schönheit assoziiert – was für Kampfpanzer im Ukrainekrieg kaum zutreffen dürfte. Aber wie dem auch sei: Über die tatsächlichen Auswirkungen dieser Lieferungen wird man erst im Rückblick zutreffend urteilen können. Bis dahin wird es eine Frage der persönlichen oder politischen Einschätzung bleiben, letztlich eine reine Mutmaßung, was nun das Richtige ist:
Liefert man nicht, führt das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur militärischen Übermacht einer völkerrechtswidrigen Aggression, die sich für den Aggressor auszahlt – mit unabsehbaren Folgen für die Zukunft aller europäischen Länder, wenn nicht weltweiten Folgen. Liefert man aber, weiß man auch nicht, ob dies nun die Kriegsdauer verkürzen, Opferzahlen begrenzen, die ungerechtfertigte und alle Verträge brechende Aggression erfolgreich zurückweisen wird – oder gerade das Gegenteil eintritt, mit ebenso unabsehbaren Folgen für alle europäischen Länder oder gar weltweit. Jeder, der behauptet, das sei so oder gerade andersherum genau das Richtige, überschätzt sich meines Erachtens maßlos und gefährlich.
Die Evangelische Kirche im Rheinland hat bei der gerade zu Ende gegangenen Tagung ihrer Synode daher erklärt: „Wir erkennen
Die Solidarität mit den Opfern des Kriegs in der Ukraine ist unstrittig, die Mittel zur Unterstützung des Landes dagegen sehr. Aufrüstung fördert das Kriegführen.
die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die unmittelbar dem Schutz von Wohngebieten und ziviler Infrastruktur dienen. So unstrittig diese konkrete Solidarität mit den Opfern in diesem Krieg ist, so kontrovers diskutieren wir auch in unserer Kirche darüber, welche Mittel zur Unterstützung der Ukraine geeignet und ethisch zu rechtfertigen sind. Wir tun das in dem Bewusstsein, dass jede Entscheidung zur Befürwortung oder Ablehnung von Waffenlieferungen in die Übernahme von Schuld führt und auf Vergebung angewiesen ist.“
Und weiter heißt es in der Stellungnahme: „Als Kirche auf dem Weg des gerechten Friedens sind wir überzeugt, dass gewaltfreie Konfliktlösungen immer die Priorität vor militärischen Lösungen haben müssen.“
In der Antike wurde der viel zitierte Satz geprägt: „Si vis pacem para bellum – wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor.“Es gibt aber gute Gründe anzunehmen, dass Kriegsvorbereitungen auch das tatsächliche Kriegführen fördern. In der modernen Friedensethik, der die Evangelische Kirche Deutschland im Ganzen und die rheinische Evangelische Kirche in ihrem Wort von 2018 folgen, hat man darum unter Aufnahme von Gedanken des 19. Jahrhunderts, gewonnener Einsichten nach zwei Weltkriegen und einer anschließenden höchst intensiven friedensethischen Diskussion gegenteilig formuliert: „If you wish for peace, prepare for peace – wenn du den Frieden willst, dann bereite auch den Frieden vor.“
Ich sehe darin nach wie vor, nicht nur trotz, sondern auch wegen des Ukrainekrieges, langfristig den einzig verheißungsvollen Weg zum nachhaltigen Frieden – vor allem vor einem „heißen“Krieg: fairer Interessensausgleich, (wirtschaftliche) Gerechtigkeit, Vermeidung von Kränkungen, gleichgewichtige und beständige Abrüstung und manches mehr. Ist naiv und funktioniert nicht? Dann nennen Sie mir eine wirklich verheißungsvollere Alternative.
Bis dahin halte ich mich an das Wort Jesu (Matthäusevangelium, Kap 5, Vers 9): „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“