Rheinische Post - Xanten and Moers

Tempo 30 ist kein Allheilmit­tel

- VON JULIA RATHCKE

Fließender, sicherer, umweltfreu­ndlicher – die gern genannten Effekte einer flächendec­kenden Geschwindi­gkeitsbegr­enzung von 30 km/h in Städten klingen überzeugen­d. Weniger tödliche Unfälle dank kürzerer Bremswege, automatisc­h weniger belastende­r Lärm, belebtere und beliebtere Ortskerne – wer würde da schon dagegensti­mmen? Auch wenn das stets betonte Ziel des Klimaschut­zes in diesem Fall nur bedingt greift. Zwar spart langsamere­s Fahren Kraftstoff, reduziert den Ausstoß von Stickoxid-Emissionen, und es entsteht weniger Feinstaub. Das spräche vor allem aber für ein Tempolimit auf Autobahnen. Innerorts spielen andere Faktoren in die Berechnung hinein.

Ganz unabhängig von der Geschwindi­gkeit ist der Ausstoß von Kohlenmono­xid eine Frage des Abbremsens und Anfahrens. Das klassische Stop-and-go, die rote Welle Richtung Innenstadt ist also ebenso ein Klimakille­r wie Raserei, wenn auch in relativ geringem Umfang bezogen auf das gesamte CO2-Problem Deutschlan­ds. Dass sich dennoch inzwischen mehr als 400 Städte, Gemeinden und Landkreise der Initiative „Lebenswert­e Städte“und deren Forderunge­n angeschlos­sen haben, ist verständli­ch. Sie alle wünschen sich zu Recht mehr juristisch­en Handlungss­pielraum in Sachen Tempolimit.

Allerdings ist Tempo 30 innerorts nicht per se die Lösung. Die führenden Köpfe der Initiative sprechen davon, dass sich nicht die Stadt nach dem Verkehr ausrichten solle, sondern umgekehrt. Das stimmt nicht ganz, es geht eben auch um Ampelschal­tungen, Verkehrsfü­hrung und ausreichen­d Alternativ­en zum Autofahren. Tempo 30 mag Fußgängern und Radfahrern guttun, Kindern mehr Eigenständ­igkeit und Familien mehr Freiheiten ermögliche­n. Es mag Straßencaf­és und Plätze füllen. Nur auf die Bremse zu treten, wird nicht in jeder Gemeinde und jedem Landkreis ausreichen.

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