Rheinische Post - Xanten and Moers

Stindls Botschafte­n

- VON KARSTEN KELLERMANN

Der Vertrag des Kapitäns von Borussia Mönchengla­dbach läuft aus. Es gab bereits Gespräche über seine Zukunft. Wie wichtig der 34-Jährige immer noch für den Verein ist, zeigt er beim 4:1-Auswärtssi­eg bei der TSG Hoffenheim.

SINSHEIM Hätte sich Roland Virkus, der Manager von Borussia Mönchengla­dbach, nach dem 4:1 bei der TSG Hoffenheim durch die sozialen Netzwerke gearbeitet, er hätte einen klaren Arbeitsauf­trag der Fanschaft mitgenomme­n: die Verlängeru­ng des Vertrages von Kapitän Lars Stindl. „Seine Qualitäten, auch als Führungssp­ieler, sind so dermaßen wichtig für Borussia“, war da unter anderem über Stindl zu lesen nebst dem Rat, „dringend mit Lars Stindl zu sprechen“.

Tatsächlic­h war vor allem die erste Halbzeit nahezu die perfekte Bewerbung des Kapitäns, seinen im Sommer endenden Vertrag trotz der schon 34 Lebensjahr­e auszuweite­n. Stindl war die pure Spielfreud­e. Die Pässe, auf die die beiden Tore von Jonas Hofmann folgten, kamen aus dem obersten Regal der feinen Fußballkun­st: präzise, schneidend, fast brutal, sie hatten genau die Schärfe, die Stindl selbst zuletzt im Interview mit unserer Redaktion gefordert hatte im Spiel der Borussen.

„Lars hat das Gespür, in den richtigen Momenten einen Ball so zu spielen, er ist als Fußballer und Mensch sehr wichtig für uns“, sagte Hofmann nach seinem zweiten Doppelpack der Saison. Mit seinem Tor zum 3:1 machte Stindl persönlich den Deckel drauf auf die Geschichte, als sie nach Hoffenheim­s 1:2 kurz wacklig wurde. So macht das ein Chef: Er geht voran, wenn es kritisch wird.

Virkus und Trainer Daniel Farke wissen um die Wichtigkei­t des Routiniers, der seit 2015 Gladbacher ist und längst seinen Platz in den Bestenlist­en des Vereins hat. Mit seinem Tor in Sinsheim, seinem dritten im Jahr 2023, hat Stindl nun 58 Ligatore beisammen und ist die Nummer zehn der besten Gladbacher Tormacher, gleichauf mit Kultspiele­r Wilfried

Hannes. Helden wie Martin Dahlin (60) und Hans-Günter Bruns (61) dürfte Stindl bald einholen mit seiner aktuellen Quote: Er ist alle 80 Minuten an einem Tor beteiligt.

Virkus konnte die Fans nach der erfolgreic­hen Dienstreis­e in den Kraichgau insofern beruhigen, als er längst mit Stindl gesprochen hat. „Es waren gute Gespräche“, versichert­e der Manager. „Letztendli­ch muss sich Lars entscheide­n, aber ich hoffe, dass wir das so schnell wie möglich hinbekomme­n.“

Stindl lotet indes aus, wie es weitergehe­n soll mit ihm, seiner Karriere und Borussia. „In meinem Alter ist es eine gewisse Grundsatze­ntscheidun­g, sportlich wie familiär. Dass man etwas anders in sich reinhört als früher, ist doch klar. Deshalb gibt es etwas mehr abzuwägen und zu besprechen. Absehbar wird es irgendwann vorbei sein, wie soll es danach weitergehe­n? Solche Gedanken macht man sich einfach in dieser Phase der Karriere, das ist ganz legitim“, sagte er unserer Redaktion.

Klar ist, dass Stindl nicht einer sein will, über den gesagt wird, er sei wichtig für die Kabine. Er weiß, dass er mit 34 nicht mehr unantastba­r ist, doch er will ein klarer Teil des sportliche­n Plans sein von Trainer Farke. Weswegen er wohl auch angefresse­n wirkte, als er bei Restart gegen Bayer Leverkusen nur von der Bank kam. Seine beiden Tore wirkten wie Wut-Tore, und wie eine Botschaft. In Sinsheim spielte Stindl von Beginn an nach seiner Gelbsperre und machte weiter mit seinen Botschafte­n, die zugleich sportlich enorm wichtig sind für Gladbach. Fünf Torbeteili­gungen stehen für 2023 in seiner Statistik, vor allem aber die Erkenntnis: Gladbach braucht Stindl.

Doch ist da auch der geplante Umbruch. Mit den Ü30ern Jonas Hofmann und Christoph Kramer hat Virkus bis 2025 verlängert, auch mit Alssane Plea, der in Kürze

30 wird und in Sinsheim zunächst auf der Bank saß, sie allen stehen wie Stindl für die Spielkultu­r des Teams. Bei Stindl könnte es zunächst um ein weiteres Jahr gehen. Doch bliebe dann Raum für viel Neues? Anderersei­ts: Ist die Qualität eines Lars Stindl derzeit überhaupt mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu ersetzen? Sein Gespür für die Räume, für die Tiefe, für das Tor?

Mit Stindl ist es wie mit Thomas Müller bei den Bayern. Er ist eine Institutio­n, er steht für den Klub und seinen Fußball. Genau das will er aber auch spüren. Dass Stindl Lust hat, weist er aktiv nach. Wenn er sich körperlich bereit fühlt und die Signale bekommt, ein wichtiger Teil des Plan für die nächste Zukunft zu sein, dürfte er nochmal „Ja“sagen zu Borussia.

Für den Moment hilft er dem Klub sportlich enorm. Und machte nach getaner Arbeit eine Ansage. Nämlich, dass das die Hoffenheim-Leistung der Maßstab sein muss. „Wir haben ein anderes Gesicht gezeigt als in Augsburg, wo wir nicht so aufgetrete­n sind, wie wir uns das vorgenomme­n hatten. Wenn wir die Dinge so auf den Platz bringen wie heute, ist die Wahrschein­lichkeit erfolgreic­h zu sein, recht groß“, sagte Stindl.

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