Rheinische Post - Xanten and Moers
KULTURTIPPS
Die Hochzeit von Techno und New Wave
Das ganze Leben in einer Kiste
„Die Konzentration menschlicher Gehirne auf engem Raum ist die beste Möglichkeit, Ideen, Kunst und sozialen Wandel zu befeuern.“Mit dieser Formel umreißt der britische Autor und Journalist Ben Wilson das große Thema seines Buches: die Stadt und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Menschheit. Gleich in der ersten Metropole der Geschichte, in der Stadt Uruk, wurden Rad, Webstuhl und Keilschrift erfunden, und noch immer ziehen statistisch gesehen weltweit jeden Tag 200.000 Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben in Städte. Metropolen sind sinnlich, chaotisch und gefährlich, nicht zuletzt Seuchen schlagen dort am heftigsten zu. In der christlichjüdischen Welt ist bis heute ein skeptischer Blick auf die Stadt verbreitet, die als Widerspruch zu Gott begriffen wird. In Mesopotamien, China oder Südostasien dagegen gilt die Stadt als Geschenk der Götter an die Menschen. bew
Elektronik Stefan Schwander ist der stille Held der Düsseldorfer Musikszene. In bemerkenswerter Frequenz veröffentlicht er Platten unter Projektnamen wie „A Rocket In Dub“und „Harmonious Thelonious“, und jede davon ist gut. Soeben hat er „Cheapo Sounds“herausgebracht, das neue Album als „Harmonious Thelonious“, und wer mit den früheren Veröffentlichungen unter diesem Alias vertraut ist, wird einen Stilwechsel bemerken. Bisher entwarfen seine Kompositionen mit ihren polyrhythmischen Strukturen so etwas wie ein Fantasie-Afrika, nun zieht Schwander das Manchester und das New York des Jahres 1981 zu einem utopischen Ort zusammen. Den Techno von „Cheapo Sounds“durchweht ein Hauch von New Wave und Post-Punk. „Die Tanzbarkeit der frühen New Order und von Gruppen wie Gang Of Four und Talking Heads“finde ich spannend“, sagt Schwander. Gleich im ersten Stück meint man die Fanfare von Kraftwerks „Trans Europa Express“zu erahnen.
Bei der Produktion beschränkte er sich auf ein Gerät, die Elektron Monomachine, mit der er sechs Spuren arrangieren kann. Er webt mehrere Melodien und Akkorde
Buch So ein Behältnis hat wahrscheinlich nahezu jeder Mensch irgendwo herumstehen – im Keller, auf dem Dachboden, in einem alten Koffer oder im hintersten Winkel eines Schrankes: eine Kiste voller Erinnerungen an Vergangenes – an Kindheit, Eltern, alte Freunde, Erlebnisse. Eine solche Kiste öffnet der Ich-Erzähler nach 25 Jahren das erste Mal. Sie ist das einzig verbliebene Erbe seines Vaters, und er tut dies mit dem tiefen Widerwillen, sich überhaupt über die eigene Herkunft definieren zu müssen. Was nun folgt, ist eine Zeitreise in eine schwierige Kindheit und Jugend in bitterster Armut und Elend. Als Sohn eines kriminellen Vaters, der nie da ist, und einer hart arbeitenden Mutter, die aber ebenso einen Hang zum Abgründigen hat. Was also ist nun drin in dieser Kiste, deren Öffnen den Sohn so viel Überwindung kostet? Einmal begonnen, legt man das Buch von Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss nicht mehr aus der Hand. ha in ein Grundgerüst von spröden, simplifizierten Beat-Konstrukten und schroffen Basspulsen. Zu hören ist so etwas wie das Konzentrat von Tanzmusik, das es bei Andeutungen belässt, bei Hinweisen und Zitaten. Sie entwickelt ihre Gegenwärtigkeit aus der Tradition, sie verbindet Vergangenes und Neues und stellt sich dabei stets in den Dienst des Grooves. Auf dieses eine Gerät wird sich Schwander übrigens auch bei Auftritten beschränken, je nach Stimmung kann er die Einzelteile eines Stücks dann spontan neu arrangieren.
Der neue Minimalismus im Sound von „Harmonious Thelonious“bringt es mit sich, dass die Kompositionen kürzer geworden sind als gewohnt, kaum je die Vier-Minuten-Marke überschreiten. Und das ist dann vielleicht auch der einzige Wermutstropfen beim Hören dieser großartigen Platte: dass die Stücke viel zu schnell enden.
Philipp Holstein