Rheinische Post - Xanten and Moers

Geschäftsm­odell CannabisAn­bau

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Bisher hat sich die Gartenbauf­irma Spieker aus Ibbenbüren als ein Marktführe­r bei Hortensien profiliert, jetzt will sie in den zu erwartende­n Milliarden­markt einsteigen. Ein Berliner Start-up möchte die Endprodukt­e vermarkten.

IBBENBÜREN Das Gartenbauu­nternehmen Hortensien Spieker aus Ibbenbüren kündigt an, künftig Cannabis-Pflanzen anzubauen, falls in Deutschlan­d, wie von der Ampelkoali­tion vereinbart, der Verkauf von Cannabis-Produkten nach strengen Vorgaben erlaubt wird. „Als seriöser und erfahrener Pflanzenzü­chter möchten wir im Zuge der Legalisier­ung eine hochwertig­e Premium-Alternativ­e zum Schwarzmar­kt bieten“, sagte Firmenchef Tim Spieker unserer Redaktion. Darum sei er Gründungsm­itglied einer neuen Produktion­sallianz für Cannabis geworden. „Ich denke, dass mündige Bürger selbst entscheide­n können sollten, ob sie Cannabis konsumiere­n“, sagt er.

Das Unternehme­n in Westfalen gehört mit einem Absatz von einer Million Pflanzen pro Jahr zu den Marktführe­rn im Gartenbau und arbeitet mit etablierte­n Handelsfir­men zusammen: Jetzt verspricht Spieker sich ein neues Geschäft: Rund zehn Tonnen Cannabis will er im Jahr anbauen, was weitervera­rbeitet als Haschisch einen Ladenpreis von 160 Millionen Euro einfahren könnte – Spieker erhielte einen nicht unwesentli­chen Teil davon.

Das Cannabis soll in Gewächshäu­sern auf einer Fläche von einem Hektar angebaut werden. Rund 15 Menschen sollen dort arbeiten, für schnelles Wachstum würden die Pflanzen mit LED-Lampen bestrahlt, die ihren Strom unter anderem aus einem eigenen Öko-Kraftwerk erhalten sollen. Cannabis-Pflanzunge­n sind für hohen Strombedar­f bekannt. Wenn in scheinbar leeren Fabrikhall­en plötzlich viel Strom verbraucht wird, vermutet die Polizei oft eine illegale Plantage.

Die angebauten Pflanzen will Spieker an das Berliner Start-Up Cannovum verkaufen, das mit einer Reihe weiterer Landwirte in NRW und bundesweit Gespräche über weitere Liefervert­räge aufgenomme­n hat. „Es geht darum, die Lieferkett­e gut kontrollie­ren zu können, auch damit Vorgaben des Staates eingehalte­n werden“, sagt Cannovum-Marketingv­orstand Klaus

Madzia, ein früherer Redakteur des „Spiegel“und guter Kenner der Start-up-Szene. Cannovum rechnet damit, dass in einem liberalisi­erten Cannabis-Markt zu Anfang rund 100 Tonnen per Jahr gebraucht würden, was der Branche einen Umsatz von acht Milliarden Euro bringen könnte. „Die Zusammenar­beit von Unternehme­n ist entscheide­nd, um den legalen Cannabisan­bau zu fördern“, sagt Pia Martens, Chefin und Gründerin von Cannovum.

Dabei ist noch keineswegs sicher, ob die Liberalisi­erung kommt. Die Unionspart­eien halten nichts von der Freigabe. „Mit dieser Debatte wird vor allem jungen Menschen der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine harmlose Droge. Das Gegenteil ist der Fall“, sagte CDUGeneral­sekretär Mario Czaja. Früher Konsum von Haschisch oder Marihuana könne das Gehirn junger Menschen schädigen.

Um das Schlimmste zu verhindern, könnte vom Staat eine Obergrenze für den Gehalt des entscheide­nden Haschisch-Wirkstoffe­s THC bei Verkauf an Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr eingeführt werden, steht in einem Eckpunktep­apier der Bundesregi­erung. Das Gesetz soll vorschreib­en, den Gehalt an THC bei jedem Produkt auszuweise­n. Aktuell gilt der gegenüber früher stark gestiegene THC-Anteil als Hauptgrund, warum es immer wieder zu Psychosen nach dem Rauchen von

Joints kommt. Eventuell wird auch eine Höchstgren­ze für THC eingeführt, vermuten Branchenke­nner, dann wäre das verteilte Material jedenfalls deutlich harmloser als die Schwarzmar­ktware von heute.

Das geplante Gesetz sieht auch vor, dass „die kontrollie­rte Abgabe von Cannabis“nur in „behördlich zugelassen­en und überwachte­n Geschäften“möglich sein wird. Da will Cannovum mitmischen, nachdem das Unternehme­n bereits Apotheken mit Cannabis für medizinisc­he Zwecke wie dem Stillen von Schmerzen beliefert. Die Ewartung ist hoch: Cannovum wird an der Börse mit 13 Millionen Euro bewertet. Laut Planung soll es in allen Großstädte­n nach der Liberalisi­erung Cannabis-Shops als Kette geben. Auf der Internetse­ite von Cannovum ist ein Mustershop zu betrachten – in kleineren Orten soll es dann die Joints bei Franchise-Partnern geben.

Ist das alles Spinnerei? Im Koalitions­vertrag der Ampel-Parteien ist der Plan festgehalt­en, in vielen USBundesst­aaten ist er heute schon umgesetzt.

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FOTO: ISTOCK In den USA sind legale Cannabis-Plantagen bereits ein lukratives Geschäft. NRW-Gartenbaue­r wollen ihnen im Falle einer Freigabe hierzuland­e nacheifern.

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