Rheinische Post - Xanten and Moers
Geschäftsmodell CannabisAnbau
Bisher hat sich die Gartenbaufirma Spieker aus Ibbenbüren als ein Marktführer bei Hortensien profiliert, jetzt will sie in den zu erwartenden Milliardenmarkt einsteigen. Ein Berliner Start-up möchte die Endprodukte vermarkten.
IBBENBÜREN Das Gartenbauunternehmen Hortensien Spieker aus Ibbenbüren kündigt an, künftig Cannabis-Pflanzen anzubauen, falls in Deutschland, wie von der Ampelkoalition vereinbart, der Verkauf von Cannabis-Produkten nach strengen Vorgaben erlaubt wird. „Als seriöser und erfahrener Pflanzenzüchter möchten wir im Zuge der Legalisierung eine hochwertige Premium-Alternative zum Schwarzmarkt bieten“, sagte Firmenchef Tim Spieker unserer Redaktion. Darum sei er Gründungsmitglied einer neuen Produktionsallianz für Cannabis geworden. „Ich denke, dass mündige Bürger selbst entscheiden können sollten, ob sie Cannabis konsumieren“, sagt er.
Das Unternehmen in Westfalen gehört mit einem Absatz von einer Million Pflanzen pro Jahr zu den Marktführern im Gartenbau und arbeitet mit etablierten Handelsfirmen zusammen: Jetzt verspricht Spieker sich ein neues Geschäft: Rund zehn Tonnen Cannabis will er im Jahr anbauen, was weiterverarbeitet als Haschisch einen Ladenpreis von 160 Millionen Euro einfahren könnte – Spieker erhielte einen nicht unwesentlichen Teil davon.
Das Cannabis soll in Gewächshäusern auf einer Fläche von einem Hektar angebaut werden. Rund 15 Menschen sollen dort arbeiten, für schnelles Wachstum würden die Pflanzen mit LED-Lampen bestrahlt, die ihren Strom unter anderem aus einem eigenen Öko-Kraftwerk erhalten sollen. Cannabis-Pflanzungen sind für hohen Strombedarf bekannt. Wenn in scheinbar leeren Fabrikhallen plötzlich viel Strom verbraucht wird, vermutet die Polizei oft eine illegale Plantage.
Die angebauten Pflanzen will Spieker an das Berliner Start-Up Cannovum verkaufen, das mit einer Reihe weiterer Landwirte in NRW und bundesweit Gespräche über weitere Lieferverträge aufgenommen hat. „Es geht darum, die Lieferkette gut kontrollieren zu können, auch damit Vorgaben des Staates eingehalten werden“, sagt Cannovum-Marketingvorstand Klaus
Madzia, ein früherer Redakteur des „Spiegel“und guter Kenner der Start-up-Szene. Cannovum rechnet damit, dass in einem liberalisierten Cannabis-Markt zu Anfang rund 100 Tonnen per Jahr gebraucht würden, was der Branche einen Umsatz von acht Milliarden Euro bringen könnte. „Die Zusammenarbeit von Unternehmen ist entscheidend, um den legalen Cannabisanbau zu fördern“, sagt Pia Martens, Chefin und Gründerin von Cannovum.
Dabei ist noch keineswegs sicher, ob die Liberalisierung kommt. Die Unionsparteien halten nichts von der Freigabe. „Mit dieser Debatte wird vor allem jungen Menschen der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine harmlose Droge. Das Gegenteil ist der Fall“, sagte CDUGeneralsekretär Mario Czaja. Früher Konsum von Haschisch oder Marihuana könne das Gehirn junger Menschen schädigen.
Um das Schlimmste zu verhindern, könnte vom Staat eine Obergrenze für den Gehalt des entscheidenden Haschisch-Wirkstoffes THC bei Verkauf an Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr eingeführt werden, steht in einem Eckpunktepapier der Bundesregierung. Das Gesetz soll vorschreiben, den Gehalt an THC bei jedem Produkt auszuweisen. Aktuell gilt der gegenüber früher stark gestiegene THC-Anteil als Hauptgrund, warum es immer wieder zu Psychosen nach dem Rauchen von
Joints kommt. Eventuell wird auch eine Höchstgrenze für THC eingeführt, vermuten Branchenkenner, dann wäre das verteilte Material jedenfalls deutlich harmloser als die Schwarzmarktware von heute.
Das geplante Gesetz sieht auch vor, dass „die kontrollierte Abgabe von Cannabis“nur in „behördlich zugelassenen und überwachten Geschäften“möglich sein wird. Da will Cannovum mitmischen, nachdem das Unternehmen bereits Apotheken mit Cannabis für medizinische Zwecke wie dem Stillen von Schmerzen beliefert. Die Ewartung ist hoch: Cannovum wird an der Börse mit 13 Millionen Euro bewertet. Laut Planung soll es in allen Großstädten nach der Liberalisierung Cannabis-Shops als Kette geben. Auf der Internetseite von Cannovum ist ein Mustershop zu betrachten – in kleineren Orten soll es dann die Joints bei Franchise-Partnern geben.
Ist das alles Spinnerei? Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist der Plan festgehalten, in vielen USBundesstaaten ist er heute schon umgesetzt.