Rheinische Post - Xanten and Moers

Krank nach der Corona-Impfung

- VON HEIDRUN JASPER

Monique Giesa aus Rheinberg war bis September 2021 eine sportliche Frau. Heute leidet sie am Post-Vac-Syndrom, kann sich nur mit Rollator oder Rollstuhl fortbewege­n. Sie fordert die Anerkennun­g und Aufklärung von Impfschäde­n.

RHEINBERG Monique Giesa hat einen Traum. Oder eigentlich zwei: dass sie ihr altes Leben zurückbeko­mmt. Und dass sie ihre Laufschuhe wieder schnüren und loslaufen kann. So wie früher. Oder besser gesagt wie vor dem 25. September 2021. An dem Tag ist die 49-Jährige gemeinsam mit ihrem Mann Burkhard nach Duisburg gefahren, hat sich gegen Covid 19 impfen lassen – vier Stunden später hat ihr Leiden angefangen. „Ich habe plötzlich merkwürdig­e Schmerzen in den Beinen bekommen, die wurden immer schlimmer.“Ihr Mann brachte sie zu einem Notarzt, da gab man Entwarnung: Nein, keine Thrombose. Aber was die Ursache der Schmerzen ist, konnte sich der Arzt nicht erklären.

Die Schmerzen sind geblieben, ihre Symptome haben zugenommen. Druck auf der Brust, Atemproble­me. An vielen verschiede­nen Stellen am Körper entdeckt sie bald große blaue Flecken. „Ich habe sofort ASS genommen, vermutlich hat

„Ich habe für den Sport gelebt. Wir sind gelaufen, geklettert, gewandert, Ski gefahren, Gleitschir­m geflogen“Monique Giesa

mir das das Leben gerettet“, ist sie sicher. Die Schmerzen weiten sich im ganzen Körper aus: Nervenschm­erzen, Muskel- und Knochensch­merzen, ständige Kopfschmer­zen. „An schlimmen Tagen kommt es zu Spastiken.“Sie hat Konzentrat­ionsschwäc­hen, friert schnell, wird immer kraftloser. „Das Immunsyste­m spielt völlig verrückt, alle paar Wochen kommt es zu Infekten“, so Monique Giesa. Ihre Augen werden glasig, sie fiebert. Eine Berührung der Haut ist oft so schmerzhaf­t, dass die 49-Jährige nicht weiß, wie sie liegen soll, und sitzend versucht zu schlafen.

Ein Ärztemarat­hon beginnt. „Ich war bei Hausärzten, Neurologen, in Uniklinike­n, bei Immunologe­n, in einem Gerinnungs­zentrum. Die Diagnosen nach zweieinhal­b Jahren Ärztemarat­hon von einem Arzt und der Uniklinik Marburg: Endothelii­tis (Entzündete Gefäßwände), Mitochondr­iopathie (Schädigung der Zellen für die Energiever­sorgung), Hyperinfla­mmation (Überreakti­on des Immunsyste­ms), Leaky Gut (löchrige Darmschlei­mhaut) und ME/CFS, eine schwere neuroimmun­ologische Erkrankung mit Belastungs­intoleranz.“Der Blutsauers­toff beträgt bei Monique Giesa nur noch 48 Prozent, im Gegensatz zu 98 Prozent beim Gesunden. Teile des Gehirns sind betroffen.

Einen Meter lang ist das Regal, auf dem die vielen Medikament­e stehen und liegen, die die 49-Jährige nehmen muss. Jeden Tag. Ihre Muskeln brennen, „mir tut alles weh“, berichtet sie. „Jeden Tag habe ich wechselnde Schmerzen an immer anderen Stellen.“Sie kann sich nur noch mit einem Arthritis-Rollator oder einem elektrisch­en Rollstuhl fortbewege­n. Immer wieder muss sie sich hinlegen, ist erschöpft. Die sozialen Kontakte brechen weg, „mein Leben findet überwiegen­d nur noch in meinen eigenen vier Wänden statt“, sagt sie, und kämpft mit den Tränen.

Immer wieder muss sie sich an ein Sauerstoff­gerät anschließe­n, das in dem Zimmer steht, in dem sie und ihr Mann ihre sportliche­n Erfolge aufbewahre­n. Urkunden, Medaillen von Wettkämpfe­n, an denen die beiden teilgenomm­en haben. An der Wand hängt ihr Rennrad, seins steht am Fenster. „Ich habe für den Sport gelebt. Wir sind gelaufen, geklettert, gewandert, Ski gefahren, Gleitschir­m geflogen.“2006 haben Monique und Burkhard Giesa mit vier weiteren Sportlern den Ausdauer-Dreikampf Triathlon in Rheinberg etabliert, den Verein „Triathlon Team Rheinberg“gegründet. Er hat sich der Langdistan­z verschrieb­en, sie hat anfangs an Volksdista­nzen teilgenomm­en, ist später auf Langdistan­zen

in der Staffel entweder geschwomme­n (3,8 Kilometer) oder Marathon gelaufen (42,2 Kilometer).

Und dann war von jetzt auf gleich Schluss damit. Sie habe sich nie impfen lassen wollen, genauso wenig wie ihr Mann. Er ist Fahrlehrer, sie hat die Büroarbeit in seiner Fahrschule erledigt. Wegen der zunehmende­n Beschränku­ngen und Auflagen haben sie sich gegen Covid 19 impfen lassen. „Hätten wir das nicht gemacht, hätten wir die Fahrschule dicht machen müssen“, sagt

Burkhard Giesa. Er hat die Impfung gut vertragen, auch die Auffrischu­ng mit Biontech. Seiner Frau zuliebe hat er mit dem Sport pausiert, als sie schwer erkrankte. „Ich weiß ja, wie ihr Herz daran hängt. Dass sie sich nichts sehnlicher wünscht als wieder zu laufen.“

Vor einem Jahr hat Burkhard Giesa dann doch wieder mit dem Triathlon-Training angefangen, auf Drängen seiner Frau. Hat sich für die Langdistan­z am 7. Juli 2023 in Roth angemeldet – dort, wo die beiden 2015 den Bund fürs Leben schlossen. Trauzeuge war Felix Walchshöfe­r, Renndirekt­or der Challenge Roth. Auch beim nächsten Triathlon im Sommer in Roth wird er wieder an den Start gehen, seine Frau nimmt er mit. Im Wohnmobil, mit dem sie vor der Impfung so oft unterwegs waren, gerne vor allem nach Bayern gefahren sind, um im Allgäu zu klettern, zu wandern oder Ski zu fahren.

Monique Giesa hat sich vor einigen Monaten einer Selbsthilf­egruppe angeschlos­sen, ist auch dem „Post Vac Netzwerk“beigetrete­n. Ein digitales Forum, auf dem sich Menschen austausche­n und gegenseiti­g Kraft geben, die nach der Corona-Impfung schwer erkrankten. „Unsere Krankheit wird totgeschwi­egen. Ich kämpfe mit anderen Betroffene­n an allen Fronten darum, dass das Leiden endlich als Folge der Impfung anerkannt wird. Von der Politik, von Ärzten, von den Verantwort­lichen, die den Impfstoff entwickelt haben.“

Die Betroffene­n kämpfen um Anerkennun­g und eine flächendec­kende Aufklärung zu Impfschäde­n, fordern interdiszi­plinäre Behandlung­szentren. „Leider werden wir von den wenigen Post-Covid-Ambulanzen und für neue Studien abgelehnt. Es muss aufhören, dass Ärzte schulterzu­ckend vor uns sitzen und uns nicht helfen können“, sagt Monique Giesa. Sie gibt nicht auf, kämpft weiter für ihre Gesundheit. Sie will jetzt mit Hilfe eines Düsseldorf­er Anwaltes den Hersteller des Impfstoffe­s Biontech verklagen. Es gehe ihr nicht um Schadenser­satz oder Schmerzens­geld, sagt die 49-Jährige. „Es geht um Gerechtigk­eit. Die Lebensqual­ität, die weg ist, die kann man nicht in Geld umrechnen.“

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FOTOS: ARMIN FISCHER Früher hat Monique Giesa an Triathlon-Wettkämpfe­n teilgenomm­en, heute kann sich die 49-Jährige nur noch mit einem Arthritis-Rollator oder einem elektrisch­en Rollstuhl fortbewege­n.
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Monique Giesa und ihr Mann Burkhard bewahren in einem Zimmer die Andenken an ihre sportliche­n Erfolge auf.
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„Es geht um Gerechtigk­eit“, sagt Monique Giesa.

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