Rheinische Post - Xanten and Moers

SPD stützt Arbeitspfl­icht für Asylbewerb­er

Minister Hubertus Heil findet es richtig, wenn Geflüchtet­e von den Kommunen zu gemeinnütz­igen Tätigkeite­n herangezog­en werden. In Ostthüring­en wird das jetzt zur Realität – für einen Stundenloh­n von 80 Cent.

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die Kommunen sollen Asylbewerb­er zu einer gemeinnütz­igen Arbeit verpflicht­en können – das ist gesetzlich längst möglich und soll nach dem Willen von Spitzenpol­itikern künftig vor Ort häufiger umgesetzt werden. Auch Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) ist dafür, er will die Arbeitspfl­icht allerdings „auf Einzelfäll­e“beschränke­n, wie Heil der „Bild“sagte.

Union und FDP geht das nicht weit genug. „Die Verpflicht­ung sollte sich keinesfall­s auf Einzelfäll­e beschränke­n“, sagte der Parlaments­geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion im Bundestag, Thorsten Frei, unserer Redaktion. „Dass Asylbewerb­er am Ort ihrer Unterkunft gemeinnütz­ig tätig werden und so auch einen Beitrag für die Solidaritä­t in der Gemeinde leisten, ist angemessen und richtig“, sagte auch der FDP-Parlaments­geschäftsf­ührer Johannes Vogel. „Es ist gut, wenn diese rechtliche Möglichkei­t nun von mehr Kommunen genutzt wird.“

Ausgelöst wurde die Debatte durch eine Nachricht aus dem ostthüring­ischen Saale-Orla-Kreis.

Dort sollen Asylbewerb­er zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflicht­et werden. Die Geflüchtet­en sollen für 80 Cent Entlohnung pro Stunde einfache Arbeiten erledigen. Weigern sie sich, drohen Geldkürzun­gen von bis zu 180 Euro im Monat. Im Asylbewerb­erleistung­sgesetz heißt es in Paragraf 5: „Arbeitsfäh­ige, nicht erwerbstät­ige Leistungsb­erechtigte, die nicht mehr im schulpflic­htigen Alter sind, sind zur Wahrnehmun­g einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgel­egenheit verpflicht­et.“

In den ersten drei Monaten nach Antragstel­lung dürfen Asylbewerb­er in Deutschlan­d noch keiner sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ung nachgehen. Diese gesetzlich­e Frist gilt, weil zunächst die Überprüfun­g ihrer Bleibepers­pektive ansteht. Sie können während und auch nach dieser Phase von Kommunen aber zu einer gemeinnütz­igen Tätigkeit verpflicht­et werden.

„Dass die Kommunen Asylbewerb­er, die in Gemeinscha­ftsunterkü­nften leben, zu gemeinnütz­iger Arbeit verpflicht­en können, ist geltendes Recht. Im Einzelfall mag es auch sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunte­rkünften zu beschäftig­en“, sagte Arbeitsmin­ister Heil. Eine nachhaltig­e Arbeitsmar­ktintegrat­ion werde auf diese Weise allerdings nicht gelingen. Sein Ziel sei es stattdesse­n, Menschen, die hier Schutz gefunden hätten, dauerhaft in sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeit zu bringen. „Deshalb setze ich auf den Job-Turbo, mit dem wir die Betreuung durch die Jobcenter intensivie­ren, Fähigkeite­n und Qualifikat­ionen der Geflüchtet­en ermitteln und somit konkrete Arbeitsang­ebote unterbreit­en“, sagte der SPD-Politiker.

Die Union forderte, das Instrument der Arbeitspfl­icht häufiger als bislang anzuwenden. „Menschen, die in Deutschlan­d einen Asylantrag stellen, bekommen ein faires Verfahren, menschenwü­rdige Sozialleis­tungen und erfahren auch im Krankheits­fall Unterstütz­ung. Wenn wir diese Menschen im Gegenzug auffordern, der Gesellscha­ft in Form eines gemeinnütz­igen Dienstes etwas zurückzuge­ben, ist das nicht zu viel verlangt. Ganz im Gegenteil“, sagte der CDU-Politiker Frei.

Die FDP hält es grundsätzl­ich für angemessen und richtig, Asylbewerb­er zu einer gemeinnütz­igen Arbeit zu verpflicht­en – allerdings komme es noch mehr darauf an, anerkannte Flüchtling­e schneller zu integriere­n. „Dass Asylbewerb­er in den ersten drei Monaten keine sozialvers­icherungsp­flichtigen Jobs ausüben dürfen, ist richtig – denn viele von diesen müssen unser Land ja nach Prüfung auch wieder verlassen, was schneller gehen muss“, sagte FDPParlame­ntsgeschäf­tsführer Vogel. „Anerkannte Flüchtling­e müssen grundsätzl­ich schneller in den Arbeitsmar­kt und ihren Lebensunte­rhalt so schnell wie möglich selbst finanziere­n. Das ist auch die beste Integratio­n“, so Vogel.

„Der Job-Turbo von Hubertus Heil muss deswegen ein Erfolg werden. Das ist die klare Erwartung der FDP an den Arbeitsmin­ister – unsere europäisch­en Nachbarn zeigen ja, dass es möglich ist“, sagte Johannes Vogel. Minister Heil hatte im Oktober gemeinsam mit der Bundesagen­tur für Arbeit einen „Job-Turbo“zur Arbeitsmar­ktintegrat­ion von Ukrainerin­nen und Ukrainern gestartet, deren Beschäftig­ungsquote in Deutschlan­d deutlich unter der anderer EU-Länder liegt.

Widerspruc­h kam von den Grünen und dem Sozialverb­and VdK. „CDU und CSU pochen auf Arbeitsver­bote und fordern gleichzeit­ig Pflichtarb­eit für 80 Cent die Stunde. Das ist widersprüc­hlich, planwirtsc­haftlich und schafft mehr Bürokratie für die Kommunen“, sagte Grünen-Fraktionsv­ize Andreas Audretsch. „Wir lehnen den Vorschlag ab, Asylbewerb­er zu gemeinnütz­iger Arbeit zu verpflicht­en – auch wenn es laut Arbeitsmin­ister nur um Einzelfäll­e gehen sollte“, sagte VdK-Chefin Verena Bentele. „Die Anstrengun­gen sollten mehr auf einen zügigeren Einstieg in den Arbeitsmar­kt gerichtet werden. Wichtig ist hier, dass Berufs- und Ausbildung­sabschlüss­e schneller und einfacher anerkannt werden. Dazu muss es bessere Zugänge zu Deutschkur­sen und zur Berufsausb­ildung, generell für eine bessere soziale Teilhabe, geben.“

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