Rheinische Post - Xanten and Moers
Mordprozess offenbart quälende Details
Skender A. überfuhr im Oktober 2023 in Duisburg ungebremst seine 19 Jahre alte Ehefrau und den 17 Monate alten Sohn. Am Donnerstag startete der Prozess. Es waren harte Momente für die Familie der Toten vor Gericht.
(mas) Es sind schwere Momente für die Mutter der toten Alia A.: Als Skender A. den Gerichtssaal in Duisburg mit einer Mappe vor dem Gesicht betritt, weint sie bitterlich, zittert am ganzen Körper. In diesen Sekunden sieht sie den 26-Jährigen das erste Mal seit dem fatalen Sonntagnachmittag am 1. Oktober 2023 wieder. Es ist der Tag, an dem sie ihre Tochter verliert und ihr Enkel seine Mutter. Alia A. wird nur 19 Jahre alt. Ihr Ehemann Skender A. soll ihr Leben abrupt beendet haben. Nach Ansicht der Anklage soll ihn die rasende Eifersucht getrieben haben.
Es ist ein sonniger Herbsttag, an dem der Garagenbereich vor den Mehrfamilienhäusern an der Ecke Oswaldstraße/Herzogstraße in Vierlinden zum Tatort wird. Anwohner hier im nördlichsten Zipfel Duisburgs wollen auf dem Gehweg einen Streit zwischen dem Ehepaar beobachtet haben.
Daraufhin soll der 26-Jährige in seinen silbernen Mercedes C 220 gestiegen sein und auf die 19-Jährige und den gemeinsamen Sohn zugefahren sein. Der Kleine ist zu diesem Zeitpunkt 17 Monate alt und sitzt im Buggy. Mit 30 Stundenkilometer und ungebremst erfasst das Auto Mutter und Sohn. Erst an der Garagenwand kommt der Wagen zum Stehen.
Nach Erkenntnissen der Ermittler stieg der junge Mann dann aus, kniete sich auf seine Frau und schlug und trag auf ihren Kopf ein. Das Schuhprofil soll deutlich im Gesicht der 19-Jährigen zu sehen gewesen sein. Die Ärzte können das Leben der jungen Frau nicht mehr retten. Sie stirbt am frühen Morgen des 2. Oktober in der Klinik an ihren massiven Kopfverletzungen.
Ihr gemeinsamer Sohn erleidet schwere Lungenverletzungen. Die Ärztin einer Spezialklinik schildert im Gerichtssaal, dass der kleine Junge in den folgenden Tagen mehrfach reanimiert werden muss, aber er überlebt und wird bald zwei Jahre alt.
Sein Geburtstag wird alles andere als unbeschwert werden: Seine Mutter ist nicht mehr da, der Vater im Gefängnis. Das Kind leidet unter den Folgen. Nach Berichten der Mediziner schläft der Junge schlecht, isst wenig. Im Buggy möchte er nicht mehr sitzen. Oft weint er. Wo er sich derzeit aufhält, wird zu seinem Schutz vor Gericht nicht erwähnt.
Dort fließen am Donnerstagvormittag viele Tränen, auch bei den Geschwistern und Freunden von Alia A. Für die Familie sei es „kaum erträglich“, die Einzelheiten zu erfahren, sagt die Rechtsanwältin der Mutter und Nebenklägerin, Alice Scaglione.
Auf Videos, die die Familie ihr gezeigt hat, habe sie eine „liebevolle Mutter gesehen“. Und eine Frau,
die unglücklich in ihrer Ehe war? Dazu möchte sich Scaglione zu diesem Zeitpunkt nicht äußern. Aus dem Umfeld war zu hören, dass die 19-Jährige sich von dem Vater ihres Kindes trennen wollte. Sie wohnten offenbar zum Tatzeitpunkt nicht zusammen.
Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass die
Eifersucht auch der Motor für den Gewaltexzess war. „Ihr Mann wollte nicht, dass seine Frau ein Leben ohne ihn führt“, beschreibt es Staatsanwalt Martin Mende. Skender A. habe „heimtückisch“und aus „niedrigen Beweggründen“gehandelt. Vollendeter und versuchter Mord wird ihm vorgeworfen. Bei einer Verurteilung droht dem Serben eine lebenslange
Freiheitsstrafe.
Die Vorwürfe gegen ihn und die medizinischen Berichte zu seinem Sohn verfolgt der bullige junge Mann im Saal nahezu regungslos. Es ist schwer, in seinem Gesicht etwas abzulesen. Seine schwarzen Haare und der schwarze Vollbart sind gepflegt, unter seinem dunkelblauen Pullover trägt er ein beiges Hemd. Der 26-Jährige möchte sich im Laufe des Verfahrens äußern, teilen seine Anwälte mit. Nur eben noch nicht zum Auftakt.
Es ist nicht davon auszugehen, dass er die Tat als solche abstreiten wird – zu erdrückend ist die Beweislast. Allerdings deutet Verteidiger Fin Habermann an, dass er die Mordmerkmale für „konstruiert“halte. Sein Mandant sorge sich um seinen Sohn und trauere um seine Frau. Vieles deutet darauf hin, dass die Verteidigung auf Totschlag plädieren wird.
Deshalb wird in den kommenden Verhandlungstagen besonders die Vorgeschichte, also die Beziehung des Ehepaars, in den Fokus rücken. Bis Mitte März sind in dem Verfahren fünf weitere Termine angesetzt.