Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Rechtfertigung des Josef Ackermann
Der frühere Chef der Deutschen Bank hat seine Autobiografie veröffentlicht. Vieles darin klingt wie der Versuch, das öffentliche Bild in seinem Sinne geradezurücken.
FRANKFURT Es hat berühmte Chefs bei der Deutschen Bank gegeben. Hermann-Josef Abs zum Beispiel und die eigenwillige Art, seinen Nachnamen zu buchstabieren (“A wie Abs, b wie Abs, s wie Abs“); der legendäre Alfred Herrhausen, der kurz vor dem Mauerfall 1989 Opfer des RAF-Terrors wurde; Hilmar Kopper, der in der für die Bank so peinlichen Affäre um den Immobilienunternehmer Jürgen Schneider Mitte der 90er-Jahre noch ein bisschen peinlicher wurde, weil er Handwerkerrechnungen als Peanuts abtat. Und natürlich Josef Ackermann, der Mann, der für viele spätestens in der Finanzkrise zur Reizfigur wurde, aber zweifellos wesentlicher Teil der Deutsche-Bank-Erfolgsgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts war.
Womit wir beim eigentlichen Thema wären. Die Reizfigur Ackermann. Sie hat der Nachwelt ihre Autobiografie überliefert und nicht nur über ihre große Karriere in der Bankenwelt geschrieben, sondern auch über ihr Privatleben. Tiefe Einblicke versprach die Ankündigung, aber das bezieht sich vermutlich vor allem auf Kindheit und Jugend, die gerade mal 20 der knapp 460 Seiten ausmachen.
Zu den wesentlichen Aussagen dieses Abschnitts gehört die These zu seinem Vater: „Mein Vater legte Wert auf Bescheidenheit und Bodenhaftung.“
Ohne Ackermann zu nahe treten zu wollen, ohne dass man ihm als Mensch diese Attribute absprechen wollte – sie sind nicht das, was die Allgemeinheit mit Ackermann verbindet.
Dieser Unterschied zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung ist etwas, das das Selbstporträt des Josef Ackermann in „Mein Weg“kennzeichnet. So gerät die Autobiografie
des Bankers mitunter abseits langer Passagen der Nacherzählung vor allem seines beruflichen Werdegangs und der damit verbundenen Ereignisse zu einer Arie der Rechtfertigung für einiges, was ihm Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter vorgeworfen haben.
Die frühere KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier beispielsweise, die ihn als „Brandstifter“in der Finanzkrise
bezeichnet und ihm die Schuld für den Zusammenbruch der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB 2007 gegeben hat („Es wäre sicherlich souveräner von ihr gewesen, zuzugeben, dass sie überfordert war.“), oder die Medien im Allgemeinen („Manches, was kolportiert, gestreut und verbreitet wurde, war abfällig, grob oder bösartig.“) oder der frühere EKD-Ratsvorsitzende
Wolfgang Huber, der einst das berühmte 25-Prozent-Rendite-Ziel kritisierte. Für dessen Zurechtweisung bemüht Ackermann einen Kolumnisten der „Bild“und dessen Kritik an „Zinsgelüsten“der Kirche selbst. Er betont, dass Huber sich später bei ihm entschuldigt habe, und lässt nicht unerwähnt, dass er aus der Kirche ausgetreten sei, nachdem er vorher Millionen an Kirchensteuern gezahlt habe. Das erinnert ein wenig an jene, die die ganze Kirche für Missbrauchsfälle in Generalhaftung nehmen und deshalb der Institution den Rücken kehren. Und nicht zu vergessen das Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess, das ja nur falsch ausgelegt wurde.
Es sind drei Beispiele dafür, wie Ackermann in dem Buch stets und überall das Gefühl vermitteln will, seine Kritiker seien mehr oder weniger ohne Ausnahme im Unrecht gewesen. Von der vorab genannten Vokabel „selbstkritisch“findet man nur wenig – und wenn, dann klingt das beispielsweise so: „Mein Gestaltungswille hat sicher dazu geführt, dass ich meine Mitarbeiter und mich selbst stark gefordert habe. Das will ich selbstkritisch anmerken.“Heißt so viel wie: Der Ehrgeiz ist meine größte Schwäche, und das meist die Antwort derjenigen, die keine wirklichen Schwächen bei sich finden mögen. Ackermann will offensichtlich aufräumen mit Narrativen, „die nicht dem tatsächlichen Geschehen entsprechen“und durch die „Mythen, Fantasien, Fabeln oder Legenden entstehen“. Die Selbstrechtfertigung wird so zur Triebfeder des Autors.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Tatsächlich haben Josef Ackermann und seine Mitstreiter die Deutsche Bank in den 2000er-Jahren bei zwischenzeitlich sechs Milliarden Euro Gewinn auf ein neues
Niveau gehoben. Und Ackermann hat genau das versucht und getan, was seine Aufgabe war – den Wert der Deutschen Bank im Interesse seiner Eigentümer zu steigern. Insofern hatte am Donnerstag auch der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bei der Buchpräsentation Recht, als er sagte: „Er hat bezahlt mit viel Ärger und viel Erfolg gewonnen.“Erfolg, für den aber der Unternehmensberater Roland Berger über eine ganze Seite hinweg als Kronzeuge fungiert und schildert, warum das mit dem Investmentbanking doch alles richtig war.
Nur mit Blick auf die SubprimeKrise in den USA und die Folgen schimmert Schuldbewusstsein durch: „Heute weiß man, dass wir – und damit meine ich die gesamte Branche, aber auch die Aufsichtsbehörden, Notenbanken, Regierungen sowie die Ratingagenturen – das Thema Immobilienmarkt und Ramschhypotheken nicht ernst genug genommen haben. Vielleicht wollten wir es nicht wahrhaben, weil die Geschäfte florierten und wir unbedingt dabei sein wollten.“Wenn schon Schuld, dann nicht allein.