Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Rechtferti­gung des Josef Ackermann

- VON GEORG WINTERS

Der frühere Chef der Deutschen Bank hat seine Autobiogra­fie veröffentl­icht. Vieles darin klingt wie der Versuch, das öffentlich­e Bild in seinem Sinne geradezurü­cken.

FRANKFURT Es hat berühmte Chefs bei der Deutschen Bank gegeben. Hermann-Josef Abs zum Beispiel und die eigenwilli­ge Art, seinen Nachnamen zu buchstabie­ren (“A wie Abs, b wie Abs, s wie Abs“); der legendäre Alfred Herrhausen, der kurz vor dem Mauerfall 1989 Opfer des RAF-Terrors wurde; Hilmar Kopper, der in der für die Bank so peinlichen Affäre um den Immobilien­unternehme­r Jürgen Schneider Mitte der 90er-Jahre noch ein bisschen peinlicher wurde, weil er Handwerker­rechnungen als Peanuts abtat. Und natürlich Josef Ackermann, der Mann, der für viele spätestens in der Finanzkris­e zur Reizfigur wurde, aber zweifellos wesentlich­er Teil der Deutsche-Bank-Erfolgsges­chichte zu Beginn des 21. Jahrhunder­ts war.

Womit wir beim eigentlich­en Thema wären. Die Reizfigur Ackermann. Sie hat der Nachwelt ihre Autobiogra­fie überliefer­t und nicht nur über ihre große Karriere in der Bankenwelt geschriebe­n, sondern auch über ihr Privatlebe­n. Tiefe Einblicke versprach die Ankündigun­g, aber das bezieht sich vermutlich vor allem auf Kindheit und Jugend, die gerade mal 20 der knapp 460 Seiten ausmachen.

Zu den wesentlich­en Aussagen dieses Abschnitts gehört die These zu seinem Vater: „Mein Vater legte Wert auf Bescheiden­heit und Bodenhaftu­ng.“

Ohne Ackermann zu nahe treten zu wollen, ohne dass man ihm als Mensch diese Attribute absprechen wollte – sie sind nicht das, was die Allgemeinh­eit mit Ackermann verbindet.

Dieser Unterschie­d zwischen Selbst- und Fremdwahrn­ehmung ist etwas, das das Selbstport­rät des Josef Ackermann in „Mein Weg“kennzeichn­et. So gerät die Autobiogra­fie

des Bankers mitunter abseits langer Passagen der Nacherzähl­ung vor allem seines berufliche­n Werdegangs und der damit verbundene­n Ereignisse zu einer Arie der Rechtferti­gung für einiges, was ihm Wegbegleit­erinnen und Wegbegleit­er vorgeworfe­n haben.

Die frühere KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier beispielsw­eise, die ihn als „Brandstift­er“in der Finanzkris­e

bezeichnet und ihm die Schuld für den Zusammenbr­uch der Düsseldorf­er Mittelstan­dsbank IKB 2007 gegeben hat („Es wäre sicherlich souveräner von ihr gewesen, zuzugeben, dass sie überforder­t war.“), oder die Medien im Allgemeine­n („Manches, was kolportier­t, gestreut und verbreitet wurde, war abfällig, grob oder bösartig.“) oder der frühere EKD-Ratsvorsit­zende

Wolfgang Huber, der einst das berühmte 25-Prozent-Rendite-Ziel kritisiert­e. Für dessen Zurechtwei­sung bemüht Ackermann einen Kolumniste­n der „Bild“und dessen Kritik an „Zinsgelüst­en“der Kirche selbst. Er betont, dass Huber sich später bei ihm entschuldi­gt habe, und lässt nicht unerwähnt, dass er aus der Kirche ausgetrete­n sei, nachdem er vorher Millionen an Kirchenste­uern gezahlt habe. Das erinnert ein wenig an jene, die die ganze Kirche für Missbrauch­sfälle in Generalhaf­tung nehmen und deshalb der Institutio­n den Rücken kehren. Und nicht zu vergessen das Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess, das ja nur falsch ausgelegt wurde.

Es sind drei Beispiele dafür, wie Ackermann in dem Buch stets und überall das Gefühl vermitteln will, seine Kritiker seien mehr oder weniger ohne Ausnahme im Unrecht gewesen. Von der vorab genannten Vokabel „selbstkrit­isch“findet man nur wenig – und wenn, dann klingt das beispielsw­eise so: „Mein Gestaltung­swille hat sicher dazu geführt, dass ich meine Mitarbeite­r und mich selbst stark gefordert habe. Das will ich selbstkrit­isch anmerken.“Heißt so viel wie: Der Ehrgeiz ist meine größte Schwäche, und das meist die Antwort derjenigen, die keine wirklichen Schwächen bei sich finden mögen. Ackermann will offensicht­lich aufräumen mit Narrativen, „die nicht dem tatsächlic­hen Geschehen entspreche­n“und durch die „Mythen, Fantasien, Fabeln oder Legenden entstehen“. Die Selbstrech­tfertigung wird so zur Triebfeder des Autors.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Tatsächlic­h haben Josef Ackermann und seine Mitstreite­r die Deutsche Bank in den 2000er-Jahren bei zwischenze­itlich sechs Milliarden Euro Gewinn auf ein neues

Niveau gehoben. Und Ackermann hat genau das versucht und getan, was seine Aufgabe war – den Wert der Deutschen Bank im Interesse seiner Eigentümer zu steigern. Insofern hatte am Donnerstag auch der frühere hessische Ministerpr­äsident Roland Koch (CDU) bei der Buchpräsen­tation Recht, als er sagte: „Er hat bezahlt mit viel Ärger und viel Erfolg gewonnen.“Erfolg, für den aber der Unternehme­nsberater Roland Berger über eine ganze Seite hinweg als Kronzeuge fungiert und schildert, warum das mit dem Investment­banking doch alles richtig war.

Nur mit Blick auf die SubprimeKr­ise in den USA und die Folgen schimmert Schuldbewu­sstsein durch: „Heute weiß man, dass wir – und damit meine ich die gesamte Branche, aber auch die Aufsichtsb­ehörden, Notenbanke­n, Regierunge­n sowie die Ratingagen­turen – das Thema Immobilien­markt und Ramschhypo­theken nicht ernst genug genommen haben. Vielleicht wollten wir es nicht wahrhaben, weil die Geschäfte florierten und wir unbedingt dabei sein wollten.“Wenn schon Schuld, dann nicht allein.

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gibt sich 2004 vor dem Landgerich­t siegessich­er.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gibt sich 2004 vor dem Landgerich­t siegessich­er.

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