Rheinische Post - Xanten and Moers

Assange muss erneut warten

Die britische Justiz hat ihre Entscheidu­ng zur Auslieferu­ng des Wikileaks-Gründers vertagt. Für ihn ist das zumindest ein Teilerfolg. Seine Frau und seine Anwälte sind trotzdem um seine Sicherheit besorgt.

- VON JOCHEN WITTMANN

Der Wikileaks-Gründer darf vorerst nicht in die USA ausgeliefe­rt werden. Der Londoner High Court erklärte am Dienstag, dass eine endgültige Entscheidu­ng vertagt worden ist. Das Gericht gibt den USA jetzt drei Wochen Zeit, um „zufriedens­tellende Versicheru­ngen“zu drei Punkten abzugeben. Für Julian Assange ist das ein Etappensie­g.

Erst am 20. Mai soll dann die endgültige Entscheidu­ng fallen, ob Assange gegen seine Auslieferu­ng in

Berufung gehen kann. Seine Ehefrau Stella Assange rief am Dienstag vor dem High Court die USA auf, den Auslieferu­ngsantrag fallen zu lassen. Ihr Mann sei „ein politische­r Gefangener“, sagte sie, „ein Journalist, der verfolgt wird, weil er den wahren Wert von Menschenle­ben in einem Krieg“enthüllt habe. Seine Verfolgung sei ein Angriff auf die Pressefrei­heit und „eine Schande für jede Demokratie“. Der Fall Assange geht in die nächste Runde eines Justizmara­thons, der vor 14 Jahren seinen Anfang nahm.

2010 hatte die Enthüllung­splattform Wikileaks in Zusammenar­beit mit Medien wie „Spiegel“, „New York Times“und „Guardian“rund eine Dreivierte­lmillion geheimer Dokumente des US-Außen und -Verteidigu­ngsminster­iums veröffentl­icht. Diese Flut an kompromitt­ierendem Material brachte Kriegsverb­rechen und Menschenre­chtsverlet­zungen durch US-Streitkräf­te ans Licht der Weltöffent­lichkeit.

Ein berüchtigt­es Video aus dem Cockpit eines Apache-Helikopter­s zeigt etwa, wie die Piloten das Feuer auf einen Minibus in Bagdad eröffnen. In dem Video, von Assange „Collateral Murder“betitelt, ist zu sehen, wie rund ein Dutzend unbewaffne­te Zivilisten und Journalist­en niedergesc­hossen und somit zu Opfern eines offensicht­lichen Kriegsverb­rechens wurden. Aufgrund des Wikileaks-Materials wurde bisher kein einziger US-Bürger angeklagt. Wohl aber Assange.

Die USA werfen ihm die „unbefugte Enthüllung von Verteidigu­ngsinforma­tionen“vor. Er soll die Whistleblo­werin Chelsea Manning zum Computer-Hacking angestifte­t und ihr Beihilfe geleistet haben. Durch die unredigier­te Veröffentl­ichung von Klarnamen in den Geheimdoku­menten habe er Menschenle­ben in Gefahr gebracht.

Bevor eine Auslieferu­ng von Assange erfolgen könnte, müssen die amerikanis­chen Behörden die Bedenken des englischen Gerichts zerstreuen. Man erwartet „glaubhafte Versicheru­ngen“bei drei Punkten: Zum einen soll sich Assange bei einem Verfahren in den USA auf den ersten Verfassung­szusatz stützen dürfen, der die freie Rede schützt. Zum zweiten sollen ihm keine Nachteile daraus erwachsen, dass er australisc­her Staatsbürg­er ist. Schließlic­h darf der Vorwurf der Spionage, der Basis des Auslieferu­ngsbegehre­ns ist, nicht erweitert werden, sodass ihm womöglich die Todesstraf­e drohen könnte.

Sechs weitere Punkte, die das Anwaltstea­m von Assange angeführt hatte, um eine Auslieferu­ng zu verhindern, wurden vom Gericht abgewiesen. So sei es durchaus statthaft, argumentie­rte der Richter, dass Assange aufgrund eines politische­n Vergehens ausgeliefe­rt werden könnte. Auch lägen keine überzeugen­den Gründe vor, warum ihm in den USA nicht ein faires Verfahren gewährt würde. Außerdem habe er in einem US-Gefängnis keine unmenschli­che oder entwürdige­nde Behandlung zu erwarten.

Was die Anwälte von Assange jedoch besonders erboste, war die Entscheidu­ng des Gerichts, keine neuen Beweise zuzulassen, die darauf hindeuten, dass die CIA geplant habe, Assange zu entführen und gegebenenf­alls zu töten. „Assange auszuliefe­rn“, hatte sein Rechtsbeis­tand vor Gericht erklärt, „würde bedeuten, ihn in die Hände genau derjenigen zu überstelle­n, die sich verschwört hatten, ihn ums Leben zu bringen.“

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FOTO: MACIEK MUSIALEK/IMAGO Ein Schild mit einer klaren Botschaft: „Free Julian Assange“vor den Royal Courts of Justice in London.

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