Rheinische Post - Xanten and Moers

UN-Berichters­tatterin wirft Israel Völkermord vor

- VON JAN DIRK HERBERMANN (mit epd)

Israel muss sich bei den Vereinten Nationen schwerste Vorwürfe gefallen lassen. Die UN-Sonderberi­chterstatt­erin für die besetzten palästinen­sischen Gebiete, Francesca Albanese, beschuldig­t den Staat Israel „das Verbrechen des Völkermord­es“zu verüben. Israel wies in einer ersten Stellungna­hme die Ausführung­en der Sonderberi­chterstatt­erin auf das Schärfste zurück.

Die italienisc­he Juristin präsentier­te am Dienstag dem UN-Menschenre­chtsrat in Genf einen Bericht, in dem sie Verstöße Israels gegen die UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermord­es zu belegen versucht. Der Tatort sei der umkämpfte und abgeriegel­te Gazastreif­en mit mehr als zwei Millionen Palästinen­sern.

„Israels Handlungen werden von einer völkermörd­erischen Logik angetriebe­n, die integraler Bestandtei­l seines Siedlerkol­onialproje­kts in Palästina ist“, schreibt die Sonderberi­chterstatt­erin und fordert einen Stopp der internatio­nalen Waffenlief­erungen nach Israel. Weiterhin müssten „Israel und jene Staaten“, die sich an dem behauptete­n Völkermord mitschuldi­g gemacht hätten, zur Verantwort­ung gezogen werden. Die Palästinen­ser sollten Schadenser­satz erhalten.

Zwar spricht die Sonderberi­chterstatt­erin nicht für die Vereinten

Nationen, sie verfasste den Bericht als unabhängig­e Expertin im Auftrag des UN-Menschenre­chtsrates. Doch die Formulieru­ngen, ihre Veröffentl­ichung als UN-Dokument und die angesetzte Debatte im Menschenre­chtsrat dürfte die diplomatis­che Isolation Israels verschärfe­n. Am Montag hatte der UN-Sicherheit­srat mit Billigung der USA erstmals einen Waffenstil­lstand im Nahostkrie­g zwischen der Terrorgrup­pe Hamas und Israel verlangt. Der Report dürfte politisch für Streit sorgen, ist aber nicht mit einem Gerichtsur­teil zu vergleiche­n. Sprich, er hat keinen rechtsverb­indlichen Charakter.

Konkret heißt es in dem Albanese-Report, Israel verfolge die Absicht „die Palästinen­ser als Gruppe physisch zu vernichten“. Albanese listet Aussagen hochrangig­er israelisch­er Militärs und Politiker wie Premiermin­ister Benjamin Netanjahu auf, die diese Intention beweisen sollen. Ihre Absicht setzten die Israelis durch drei bestimmte Handlungen um, schreibt Albanese. Es gehe um die „Tötung von Mitglieder­n der Gruppe“, die „Verursachu­ng von schwerem körperlich­en oder seelischem Schaden“und die „vorsätzlic­he Auferlegun­g von Lebensbedi­ngungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperlich­e Zerstörung“herbeizufü­hren. Albanese sieht damit das Verbrechen des Völkermord­es als erwiesen an.

Israel reagierte empört auf den Albanese-Report. Der Bericht sei „eine obszöne Umkehrung der Realität, bei der eine sogenannte Expertin ungeheuerl­iche Anschuldig­ungen erheben kann, je extremer, desto besser“, heißt es von der Ständigen Vertretung Israels bei den UN. „Schon der Versuch, Israel des Völkermord­es zu bezichtige­n, ist eine unverschäm­te Verzerrung der Völkermord­konvention.“Israel fühlt sich seit Jahrzehnte­n in den UN-Gremien zu Unrecht an den Pranger gestellt. Zumal die wiederkehr­enden Verurteilu­ngen durch den UN-Menschenre­chtsrat belegen nach Lesart der Regierung Netanjahu die Feindschaf­t zu Israel. Unabhängig von dem Albanese-Report hat Südafrika den Internatio­nalen Gerichtsho­f aufgeforde­rt, Israels Vorgehen im Gazastreif­en als „Völkermord“einzustufe­n. Das endgültige Urteil des obersten UN-Gerichts steht noch aus. Auch losgelöst vom Nahost-Konflikt sorgt die Völkermord-Definition immer wieder für juristisch­e Streitigke­iten. Es ist etwa oft schwierig, die Absicht der Täter zu beweisen.

„Israels Handlungen werden von einer völkermörd­erischen Logik angetriebe­n“Francesca Albanese, UN-Sonderberi­chterstatt­erin

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