Rheinische Post - Xanten and Moers
Jedes fünfte Kind wächst in Armut auf
Mehr als 14 Millionen Deutsche verdienen kaum genug zum Leben. Das zeigt ein neuer Bericht, der auf Daten des Statistischen Bundesamts von 2022 beruht und ein trauriges Bild zeichnet – vor allem für NRW.
Wie viele Armutsbetroffene gibt es in Deutschland?
Insgesamt 14,2 Millionen Menschen müssen laut einem Bericht des Paritätischen Gesamtverbands in Deutschland zu den Einkommensarmen gerechnet werden. „Die Armut in Deutschland ist auch in 2022 auf sehr hohem Niveau verblieben“, betonte der Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Der Bericht „Armut in der Inflation“wurde anhand der Daten des Jahres 2022 des Statistischen Bundesamts erstellt. Laut dieser Daten hat die Armutsquote 2022 „zumindest nicht zugenommen“, so Schneider. Die statistischen Armutsbefunde fielen dennoch durchwachsen aus. Mit 16,8 Prozent liege die Armutsquote 0,1 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert 2021.
Ist ein Trend zu verzeichnen?
Die Zahl der Armutsbetroffenen ist im Vergleich zu 2021 um 100.000 Menschen
gestiegen, seit 2019 sind es knapp eine Million mehr. Es sei ab 2006 ein fast ungebrochener Trend zu stetig wachsender Armut zu beobachten gewesen, heißt es im Bericht. Seit damals seien zwar 2,7 Millionen Menschen mehr in Armut. „Der Trend ist gestoppt, aber längst nicht gedreht“, betonte Schneider. Mit Blick auf die aktuellen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Bedingungen sei auch nicht davon auszugehen.
Ab wann gilt man als „arm“? Als Armutsschwelle für einen Single gilt ein Einkommen von 1186 Euro im Monat. Für ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt die Schwelle bei 2490 Euro im Monat, für Alleinerziehende mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 1897 Euro. Bei Paaren ohne Kinder bei 1779 Euro.
Welche Bevölkerungsgruppen sind am häufigsten betroffen?
Auch im Jahr 2022 gehören Alleinerziehende und kinderreiche Familien, Erwerbslose, Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen und ohne deutsche Staatsangehörigkeit zu den überproportional stark betroffenen Gruppen. Ein Fünftel seien Kinder und Jugendliche, das sei „trauriger Rekord“. Zwei Drittel aller erwachsenen Armen gingen entweder einer Arbeit nach oder sie seien Rentner. Nur etwa sechs Prozent der erwachsenen Armutsbevölkerung seien Erwerbslose.
Wie ist die Armut regional verteilt?
Der Bericht zeigt ein sehr heterogenes Bild Deutschlands. Während die Armutsquote in Bayern am niedrigsten ist (12,6 Prozent), weist Bremen den höchsten Anteil an Erwerbsarmen auf (29 Prozent). Jedoch ist laut Ulrich Schneider NRW das „unter armutspolitischen Gesichtspunkten problematischste“Bundesland. Besonders das Ruhrgebiet mit seinen fünf Millionen Menschen habe mit 22,1 Prozent eine exorbitante Armutsquote. In ganz NRW ist die Armut seit dem Referenzjahr 2006 um 42 Prozent gestiegen, damit doppelt so stark wie im gesamtdeutschen Durchschnitt.
Was wird zur Bekämpfung der Armut gefordert?
Unter anderem fordert der Paritätische die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, eine „mutige Mietpreisdämpfungspolitik“sowie Reformen bei der Rentenversicherung und der Schuldenbremse.