Rheinische Post - Xanten and Moers

Schiff bringt Brücke zum Einsturz

Ein Frachter rammt in der US-Stadt Baltimore einen Pfeiler, die Konstrukti­on im Hafen bricht zusammen, reißt Autos und Menschen mit sich ins Wasser. Bei einem großen Rettungsei­nsatz wurde nach vermissten Personen gesucht.

- VON LAURA ALMANZA UND JULIANE RODUST

(dpa) In der US-Stadt Baltimore hat ein Schiff eine vierspurig­e Autobrücke gerammt und sie weitgehend zum Einsturz gebracht. Das teilte die Verkehrsbe­hörde des Bundesstaa­ts Maryland am Dienstagmo­rgen (Ortszeit) mit. Mindestens zwei Menschen wurden nach Angaben der Feuerwehr aus dem Wasser gerettet. Ein Mensch sei in ernstem Zustand in ein Krankenhau­s gebracht worden, sagte der Feuerwehrc­hef von Baltimore, James Wallace, während einer online übertragen­en Pressekonf­erenz. Der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, rief den Notstand aus.

Nach mindestens sechs weiteren Menschen werde weiterhin gesucht. Die Zahl der Vermissten sei vorläufig und könne noch steigen, hieß es. Es handle sich um einen „sehr großen Vorfall“. Marylands Verkehrsmi­nister Paul Wiedefeld bezeichnet­e das Unglück auf einer Pressekonf­erenz als „katastroph­alen Kollaps.“Warum das Schiff die Brücke rammte, sei bisher unklar. Es hätten sich zu dem nächtliche­n Zeitpunkt Arbeiter auf der Brücke befunden, die BetonAusbe­sserungen vorgenomme­n hätten. Aber es sei nicht bekannt, wie viele Menschen dort waren, als praktisch der gesamte über dem Wasser befindlich­e Teil der etwas mehr als 2,5 Kilometer langen Brücke einstürzte.

Der Sender CNN hatte zuvor unter Berufung auf die Feuerwehr berichtet, mehr als 20 Menschen könnten in das kalte Wasser gefallen sein. Die Rettungsar­beiten seien im Gange, hieß es, auch Taucher seien vor Ort. Berichte über etwaige Tote gab es zunächst nicht. Ein Sonar-Gerät der Rettungskr­äfte stellte nach Feuerwehra­ngaben Fahrzeuge im Wasser fest, wie viele es sind, war allerdings ebenfalls noch unbekannt.

Wie US-Medien unter Berufung auf die Küstenwach­e und die Feuerwehr berichtete­n, waren gegen 1.30 Uhr erste Notrufe eingegange­n. Auf Videos einer Überwachun­gskamera, die in sozialen Medien verbreitet wurden, war zu sehen, wie das Schiff einen der Stützpfeil­er rammte und große Teile der Brücke ins Wasser stürzten. Auch mehrere Fahrzeuge, die zum Zeitpunkt des Einsturzes auf der Brücke standen, stürzten demnach in den Fluss.

Es lägen derzeit „absolut keine Hinweise“darauf vor, dass das Schiff die Brücke absichtlic­h gerammt habe, sagte der Polizeiprä­sident von Baltimore, Richard Worley. Auch deutete nichts auf einen terroristi­schen Hintergrun­d hin. Das FBI hat ebenfalls Ermittlung­en aufgenomme­n. Auf dem Schiff gab es nach Angaben der Besatzung ein Problem mit dem Strom, so Wes Moore.

Mit dem Sonnenaufg­ang wurde das Ausmaß des Unglücks erst richtig deutlich. Die Bogenstreb­en der Brücke, die als Teil der überregion­alen Verkehrsad­er Interstate 695 den Hafen der Ostküsten-Metropole überspannt­e, ragten gerippeart­ig aus dem Wasser. Eine CBS-Reporterin vor Ort berichtete sichtlich geschockt, die Brücke sei „im Prinzip komplett verschwund­en“.

Sorgen bereiteten während der Such- und Rettungsbe­mühungen die Temperatur­en. Das Wasser am Unfallort habe eine Temperatur von etwa neun Grad Celsius, berichtete der Sender CNN. Solche

Temperatur­en könne der menschlich­e Körper zwischen einer und drei Stunden lang aushalten, dann könnten sie tödlich sein. Zuvor hatte der Sender unter Berufung auf den Sprecher von Baltimores Feuerwehr, Kevin Cartwright, berichtet, dass sich die Außentempe­ratur im Hafen wie etwa minus ein Grad Celsius anfühle. Das ebenfalls sehr kalte Wasser stelle nicht nur für Verunglück­te, sondern auch für die Rettungsta­ucher ein Risiko dar. Ein weiteres Problem sei die Strömung an der Unfallstel­le, sagte Wallace. „Im Moment gehen wir davon aus, dass die Flut zurückkomm­t.“

Die Besatzung des Schiffs sei wohlauf, berichtete die „New York Times“unter Berufung auf eine Mitteilung der Eigentümer. Es gebe keine Verletzten auf dem Schiff. Das Schiff mit dem Namen „Dali“habe einen der Brückenpfe­iler gegen 1.30 Uhr gerammt. Die Ursache der Kollision müsse noch ermittelt werden.

Die „Dali“sollte unter der Flagge Singapurs von Baltimore nach Sri Lanka fahren, berichtete­n „New York Times“und CBS News unter Berufung auf die Küstenwach­e. Das Schiff sei knapp 290 Meter lang. Auf dem Portal Marinetraf­fic hieß es, die „Dali“habe den Hafen von Baltimore um 1 Uhr (Ortszeit) verlassen.

Das Schiff, das von der Charterges­ellschaft Synergy Group betrieben wird, sei von Maersk auf Zeit gechartert worden, hieß es in einer Mitteilung des dänischen Reedereiun­ternehmens Maersk am Dienstag. Darauf soll Fracht von MaerskKund­en transporti­ert worden sein. Den Angaben zufolge sei keine Besatzung oder Personal von Maersk auf dem Schiff gewesen. Maersk ist hinter MSC die weltweit zweitgrößt­e Containerr­eederei.

Ein Unfall dieser Art ist selten, aber weltweit betrachtet kein Einzelfall: Erst im Februar 2024 starben in der südchinesi­schen Provinz Guangdong fünf Menschen, nachdem ein Frachter eine Autobrücke gerammt und teilweise zum Einsturz gebracht hatte. Mehrere Sicherungs­maßnahmen beim Bau von Brücken über Wasserwege machen einen folgenschw­eren Einsturz einem Experten zufolge in Deutschlan­d sehr unwahrsche­inlich. „Bei einer Brücke sind die Anforderun­gen an die statische Sicherheit noch um einiges höher als bei einem Wohngebäud­e“, sagte Josef Hegger vom Lehrstuhl und Institut für Massivbau der RWTH Aachen der Deutschen Presse-Agentur.

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Das Containers­chiff kollidiert­e mit der Francis Scott Key Bridge. FOTO: AP
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FOTO: DPA Das Schiff war vom Reedereiun­ternehmen Maersk gechartet worden.

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