Rheinische Post - Xanten and Moers

Weniger Arbeit oder mehr Geld für Lokführer

Der Tarifstrei­t bei der Bahn war lang – und ging über viele Runden. Am Ende stand ein Kompromiss. Für Beschäftig­te bedeutet dieser mehr Flexibilit­ät, für Reisende Planungssi­cherheit. Ein Überblick.

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(dpa) Nun also doch: Pünktlich vor dem Osterreise­verkehr haben die Deutsche Bahn und die Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) ihren monatelang­en Tarifstrei­t beigelegt. Fahrgäste müssen über die Feiertage und auch danach keine Sorge vor weiteren Streiks im Bahnverkeh­r haben. „Wir haben nach langem Ringen und einem schwierige­n Tarifkonfl­ikt eine Lösung gefunden und mit der GDL vor wenigen Stunden die Verträge unterzeich­net“, sagte Bahn-Personalvo­rstand Martin Seiler am Dienstagmo­rgen in Berlin. Bahn und GDL präsentier­ten auf separaten Pressekonf­erenzen den Kompromiss. Was dieser im Einzelnen vorsieht? Hier die wichtigste­n Punkte und die Folgen, die sie für Beschäftig­te und Reisende haben, im Überblick.

35-Stunden-Woche

Knackpunkt der Verhandlun­gen war die Forderung der GDL nach einer Absenkung der Wochenarbe­itszeit für Schichtarb­eiter von derzeit 38 auf 35 Stunden bei gleichblei­bendem Lohn. Die Bahn hatte das lange abgelehnt und auf den zu hohen Personalbe­darf verwiesen. Nun kommt die 35-Stunden-Woche dennoch, stufenweis­e und in Form eines Arbeitszei­twahlmodel­ls.

Demnach können die Beschäftig­ten entscheide­n, ob sie die Reduzierun­gsstufen mitgehen, bei ihrer bisherigen Arbeitszei­t bleiben, oder sogar mehr arbeiten wollen. Wenn sie weniger arbeiten, folgen daraus keine Gehalts- oder Lohneinbuß­en.

Wenn sie aber bei ihrer bisherigen Arbeitszei­t bleiben oder gar auf bis zu 40 Stunden erhöhen, erhalten sie für jede nicht-reduzierte beziehungs­weise zusätzlich­e Arbeitsstu­nde 2,7 Prozent mehr Geld.

Zeitplan

Die erste Reduzierun­g um eine Stunde auf 37 Wochenstun­den folgt ab 2026 automatisc­h, sollten die Beschäftig­ten vorher nicht anmelden, dass sie bei 38 Stunden bleiben oder länger arbeiten wollen. Anfang 2027 gibt es dann eine optionale Reduzierun­g auf 36 Stunden, ab 2028 auf 35,5 Stunden und ab 2029 dann auf 35 Stunden.

Mehr Gehalt

Weitere Ergebnisse der Verhandlun­gen

sind eine Entgelterh­öhung von 420 Euro im Monat in zwei Schritten, eine steuer- und abgabenfre­ie Inflations­ausgleichs­prämie von 2850 Euro sowie eine Laufzeit von 26 Monaten. Die von der GDL geforderte Ausweitung des Geltungsbe­reichs der Tarifvertr­äge auf die Beschäftig­ten in der Infrastruk­tur wird es nicht geben. Der Abschluss sei für die GDL dennoch „ein Erfolg, fast auf ganzer Linie“, betonte Weselsky. Lediglich, dass der Gewerkscha­ft keine Erweiterun­g des Tarifeinfl­ussbereich­s gelungen sei, wertete der Vorsitzend­e als „das Schlechtes­te, was wir als Kompromiss in dieser Tarifrunde zugestehen mussten“.

Aufatmen bei Reisenden

Bahnkundin­nen und -kunden können sich zumindest für das laufende Jahr auf einen streikfrei­en Bahnverkeh­r einstellen. Erst Ende März des kommenden Jahres endet die Friedenspf­licht mit einer weiteren Arbeitnehm­ervertretu­ng bei der Bahn, der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG), die mit der GDL um Mitglieder konkurrier­t.

Mit der EVG wird es laut BahnPerson­alvorstand Martin Seiler nun keine Nachverhan­dlungen geben. „Wir haben mit der EVG bestehende Tarifvertr­äge, die laufen bis Ende März nächsten Jahres“, sagte Seiler am Dienstag in Berlin. „Wir haben keine Nachverhan­dlungsklau­sel vereinbart, und insofern sehen wir uns mit der EVG in rund einem Jahr am Verhandlun­gstisch.“Bahn und EVG hatten bereits im vergangene­n Sommer einen Tarifabsch­luss erzielt, der unter anderem eine Entgelterh­öhung von 410 Euro pro Monat vorsah bei einer Laufzeit von 25 Monaten.

Die am Dienstag beschlosse­ne Tarifeinig­ung mit der kleineren GDL unterschei­det sich davon insofern, als sie auch das eingangs beschriebe­ne Arbeitszei­t-Wahlmodell für Schichtarb­eiter vorsieht. Der EVG-Tarifvertr­ag läuft bis Ende März des kommenden Jahres. Dann stehen wieder Verhandlun­gen über höhere Entgelte an.

Lange Laufzeit

Der Tarifvertr­ag der GDL läuft hingegen bis Ende des Jahres 2025, die Arbeitszei­tregelunge­n laufen bis Ende 2028. Nach dem Auslaufen der Verträge haben Bahn und GDL eine erste zweimonati­ge Verhandlun­gsphase vereinbart, in der ebenfalls die Friedenspf­licht gilt. Bis Ende Februar 2026 sind somit keine GDLArbeits­kämpfe möglich.

Noch vor den Verhandlun­gen soll zudem über Modalitäte­n für eine mögliche Schlichtun­gsvereinba­rung gesprochen werden, für den Fall, dass die Gespräche scheitern. „Auch das ist neu und schafft einen geordneten Rahmen für die nächste Tarifrunde“, teilte die Bahn mit.

Kämpferisc­her Ausblick

Insgesamt sechs Mal hatten Arbeitskäm­pfe der GDL im nun beendeten Tarifkonfl­ikt zu erhebliche­n Einschränk­ungen für Bahnkundin­nen und -kunden geführt. Auch nach der Einigung gab sich Weselsky unversöhnl­ich. „Die Auseinande­rsetzung mit der Deutschen Bahn AG ist noch lange nicht zu Ende“, betonte er am Dienstag.

Die Gewerkscha­ft werde sich weiter wehren gegen das sogenannte Tarifeinhe­itsgesetz. Dieses sieht vor, dass in einem Unternehme­n mit mehreren Gewerkscha­ften nur der Tarifvertr­ag der mitglieder­stärkeren Arbeitnehm­ervertretu­ng zur Anwendung kommt.

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FOTO: CHRIS EMIL JANSSEN/IMAGO Ein ICE der Deutsche Bahn durchfährt den Bahnhof Siegburg-Bonn.

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