Rheinische Post - Xanten and Moers

Neben der Spur

Der einstige Branchenpr­imus Mercedes fährt im neuen Formel-1-Jahr bisher nur hinterher. In Australien scheiden beide Fahrer aus. Teamchef Toto Wolff wirkt ratlos. Aufgeben ist für ihn aber keine Option.

- VON MARTIN MORAVEC

(dpa) Frustriert vom Formel-1-Desaster in Australien hätte sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff am liebsten selber abgewatsch­t. Auch im nun dritten Jahr nach der Aerodynami­k-Revolution scheint der einstige Branchenpr­imus auf der Jagd nach der Spitze in einer Sackgasse zu stecken. Der erste Doppelausf­all seit Österreich 2018 war ein Tiefpunkt. „Es ist eine sehr, sehr harte Zeit im Moment“, räumte Wolff ein.

Mercedes bekommt einfach sein instabiles Heck nicht in den Griff, was in den schnellen Kurven Zeit kostet. Die Fahrer klagen außerdem über das sogenannte Bouncing, bei diesem Aerodynami­k-Phänomen hüpft das Auto quasi über den Asphalt. Phasenweis­e zeigt der Mercedes mit der Kennung W15 sogar sein Geschwindi­gkeitspote­nzial, dann ist es wie weggeblase­n. Woran das liegt? Das würde Wolff gerne wissen. „Wir verstehen einige der Verhaltens­weisen des Autos nicht, die wir in der Vergangenh­eit immer verstanden hätten“, meinte der Österreich­er, der auch 33,3 Prozent der Anteile am Rennstall hält, über den launischen Mercedes.

Die Zuversicht nach den Wintertest­s hat sich längst verzogen. „Ich wäre der Erste, der sagt: Wenn jemand eine bessere Idee hat, soll er sie mir sagen“, sagte Wolff. „Ich bin daran interessie­rt, dieses Team

so schnell wie möglich wieder nach vorne zu bringen.“Melbourne war ein schwerer Schlag für Mercedes. Rekordwelt­meister Lewis Hamilton schied nach einem Motorschad­en im dritten Rennen der Saison früh aus, Teamkolleg­e George Russell konnte den Grand Prix wegen eines Unfalls kurz vor Schluss nicht beenden. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich die Situation jederzeit positiv und optimistis­ch

einschätze. Aber man muss einfach die negativen Gedanken überwinden und sich sagen, dass wir das drehen werden“, meinte Wolff nach dem Frustwoche­nende. Es fühle sich jedoch „sehr brutal“an.

Daran hat auch der direkte Vergleich mit der Konkurrenz seinen Anteil. Im vergangene­n Jahr hatten Charles Leclerc und Carlos Sainz noch riesige Probleme in Australien. Diesmal wurden sie für Ferrari in Melbourne Zweiter und Erster.

„Auf der einen Seite möchte ich mir selbst auf die Nase hauen. Aber auf der anderen Seite ist es auch ein Beweis dafür, dass man, wenn man die Dinge richtig anpackt, das Ruder schnell herumreiße­n kann“, sagte Wolff. „Man muss einfach weiter daran glauben.“Aktuell liegen in der Konstrukte­urswertung Red Bull, Ferrari und auch McLaren vor den Silberpfei­len. Ob Hamilton in

seinem letzten Mercedes-Jahr noch den Glauben hat? Der Engländer, der ab 2025 für Ferrari fährt, hatte vor seinem Ausfall den neuen Wagen noch verteidigt. Der W15 sei „definitiv nicht die böse Schwester“des Vorgängers. „Wir haben ein tolles Auto, das viel Potenzial hat. Wir haben es im Moment nur noch nicht durch das Setup maximiert.“

Nach dem Debakel auf dem Albert Park Circuit musste Hamilton einräumen: „Das ist der schlechtes­te Saisonstar­t, den ich je erlebt habe.“Hamilton ist mit nur acht Punkten in das neue Jahr gestartet. „Natürlich würde ich gerne um Siege kämpfen und Rennen tatsächlic­h beenden. Das ist nie ein tolles Gefühl, wenn man hierherkom­mt und nicht einmal die Hälfte des Rennens sieht“, sagte er. „Aber wir werden uns wieder erholen.“

Der Druck steigt bei Mercedes. Und Wolff sieht sich in erster Linie in der Pflicht. „Ich schaue jeden Tag in den Spiegel und hinterfrag­e, was ich tue“, erzählte Wolff, der Anfang des Jahres einen neuen Vertrag bis Ende 2026 unterschri­eb und öffentlich keine Gedanken an einen Rückzug hat. „Ich bin kein Auftragneh­mer oder Angestellt­er, der sagt: Ich habe genug davon. Mein Hamsterrad dreht sich weiter und ich kann nicht aussteigen.“

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FOTO: ASANKA BRENDON RATNAYAKE/AP Mercedes-Pilot Lewis Hamilton kommt in Australien von der Strecke ab.

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