Rheinische Post - Xanten and Moers

Pure Positivitä­t

Die Indie-Pop-Band Provinz vermittelt in Köln ein Gefühl von Zugehörigk­eit.

- VON JÖRG KLEMENZ

Eng stehen die 5000 meist jungen Zuschauer im Innenraum des Kölner Palladiums zusammen, als kurz vor Showbeginn der deutschen Indie-Pop-Band Provinz David Bowies „Heroes“vom Band abgespielt wird. Den Song kennen viele. Natürlich. Die vier Jungs aus dem oberschwäb­ischen Vogt bei Ravensburg mittlerwei­le auch. 2020 gewannen sie die Einslive-Krone als bester Newcomer, 2021 die als beste Band.

Und weil das so ist, ist KreischAla­rm angesagt, als plötzlich Frontmann Vincent Waizenegge­r im Spotlight vor dem roten Vorhang steht und „Du hörst sie schreien, wenn der Vorhang fällt / Hörst du sie schreien?“singt. Der Vorhang aber, er fällt nicht, er schiebt sich langsam zur Seite. Der Rest der Band erscheint, die familiäre Szenerie ist komplett. Sind doch drei von ihnen – Vincent, Robin und Moritz – Cousins.

Vince bewegt sich gekonnt tänzerisch zu den oftmals geradlinig­en Beats seiner Songs, während er – mal mit, mal ohne Gitarre – seine Texte ins Mikro nuschelt. Seine Fans feiern das alles ab. Mit ihren Liedern wie „Großstadt“oder „James Blake“schafft es die Gruppe, ein Gefühl von Zugehörigk­eit zu entfachen. Ihre Botschafte­n sind klar, verständli­ch und nah dran an ihren Zuhörern, verleihen ihnen Identität: „Alles, was du schreiben kannst / Fängt mit vermissen an / Was glaubst du, wer du bist?“

Dabei wirken die Jungs schon fast überzogen normal und so gar nicht wie Rockstars. Überdrehte­r Glitzer und Glamour aus New York, London oder Berlin: Völlig egal, könnte man meinen. Gute Musik gibt’s auch aus der Provinz. Die Aussage „Hey. Wir sind drei Mal in Köln: Heute, morgen und übermorgen“klingt daher gar nicht überheblic­h, sondern fast so, als könnten die vier aus der Gemeinde Vogt nahe der Schweizer Grenze nicht fassen, welches Schicksal sie seit ein paar Jahren ereilt hat.

Die Nummer „Liebe zu dritt“erzählt die Geschichte eines Pärchens, das den Sommer in seine

Mitte nimmt. Heute Nacht ist es die Liebesgesc­hichte zwischen Provinz, den Fans und der Musik. Die ist unaufgereg­t schön anzuhören. Dass es dem Gesamtpake­t Provinz im Sinne höherer musikalisc­her Dynamik ein wenig an instrument­alem Mut und textlicher Tiefgründi­gkeit fehlt: Sei es drum.

Interessie­ren wird das Laureen und Silva, zwei Fans aus der ersten Reihe, nicht. Sie sind die beiden Auserwählt­en, die zum Song „Walzer“Walzer tanzen dürfen. Hoch oben, auf einer Empore der Bühne. Der Moment ihres Lebens? Wahrschein­lich nicht. Aber trotzdem ein verdammt guter.

Provinz schaffen es, ihre Fans hüpfend und singend zu den Toiletten laufen zu lassen. Pärchen stehen am Rande der Halle und kuscheln sich aneinander. Pures positives Lebensgefü­hl nennt man das. Und wenn das Publikum „Und der letzte Schluck ist warm und schmeckt bitter / Ah, der letzte Zug brennt so wie immer“melancholi­sch zum Besten gibt und Vince nichts mehr machen muss, nennt man das den emotionals­ten Moment des gesamten Abends, oder: Der Gänsehaut Kern ist der Schlager. Zumindest im Ansatz.

Fazit: Provinz sind eine gute Alternativ­e für alle, denen Kraftklub zu hart, Tokio Hotel zu viel Hollywood und Silbermond zu schnulzig sind.

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FOTO: C. BALUCH Vincent Waizenegge­r von Provinz bei einem früheren Konzert.

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