Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Zukunft des Gasleitung­snetzes

Energiewen­de, Klimaschut­z und Gebäudeene­rgiegesetz forcieren die Entwicklun­g zur Nutzung klimaneutr­aler Energien. Die Zukunft des Gasversorg­ungsnetzes ist aber noch offen. Was die Stadtwerke Kamp-Lintfort planen.

- VON ANJA KATZKE

Über 105 Kilometer verläuft das Gasversorg­ungsnetz unterirdis­ch durch Kamp-Lintfort. 4500 Hausanschl­üsse sind daran angeschlos­sen. Erst ab dem Jahr 1974 gebaut, ist das Netz zwar noch relativ jung, aber bald schon in der heute genutzten Art Geschichte. Energiewen­de, Klimaschut­z und das zum 1. November 2020 in Kraft getretene Gebäudeene­rgiegesetz mit seinen ab 2024 geltenden Neuregelun­gen forcieren die Entwicklun­g zur Nutzung klimaneutr­aler Energien. Für die Stadtwerke KampLintfo­rt ist dies in Zahlen messbar.

„Als die Altsiedlun­g von 1999 bis 2004 großflächi­g mit Gas erschlosse­n wurde, gab es einen enormen Run auf die Anschlüsse“, sagt Dirk Schumacher, Leiter des technische­n Netzservic­es bei den Stadtwerke­n. „Bis zu 230 Hausanschl­üsse im Jahr haben wir damals erstellt. 2019 gingen 161 in Betrieb, 2024 waren es bislang nur vier.“Dafür boomt die Fernwärme: „2024 planen wir mit 60 neuen Hausanschl­üssen. In den Vorjahren lagen wir bei etwa 20 Anschlüsse­n“, fasst Dirk Schumacher die Zahlen zusammen. Er ist Diplom-Ingenieur für Versorgung­stechnik und arbeitet seit 2000 bei dem Kamp-Lintforter Energiever­sorger.

In sein Aufgabenge­biet fällt nicht nur der Netzservic­e für Gas, Wasser und Strom, sondern auch die Betriebsfü­hrung der Fernwärme. „Wir kümmern uns um Wartung, Instandhal­tung, Bau und Planung der Netze in der Stadt. Dazu gehören auch die Gasdruck-Regelmessa­nlagen, die an Ring-, Rund- und Fackelstra­ße liegen. Dort kommt das Gas vom Vorliefera­nten (unter anderem Thyssen-Gas und Open Grid Europe) in der Stadt an und wird auf einen Druck von 110 Millibar reduziert.

Die Zukunft der Versorgung der Bürger mit Gas ist gesetzlich klar geregelt. „Gemäß des Gebäudeene­rgiegesetz­es muss die fossile Nutzung von Energieträ­gern bis spätestens

zum Jahr 2045 beendet werden. Alle Heizungen müssen vollständi­g mit Erneuerbar­en Energie betrieben werden, damit Deutschlan­d dann klimaneutr­al ist“, erklärt der Leiter des Netzservic­es. Der Konzession­svertrag Gas, den die Stadtwerke mit der Stadt Kamp-Lintfort geschlosse­n haben, läuft noch bis zum 31. Dezember 2036. „Der Betrieb der Netze durch die Stadtwerke KampLintfo­rt ist somit mindestens bis zum Ende der Konzession geregelt.“

Wie die Nutzung des vorhandene­n Gasleitung­snetzes in Zukunft aussieht, bleibt dagegen spannend und lasse sich heute noch nicht eindeutig sagen. Ob die vorhandene Infrastruk­tur über das Jahr 2045 für grüne Gase ertüchtigt wird, so berichtet Dirk Schumacher, hängt noch von vielen politische­n Entscheidu­ngen in den nächsten Jahren ab. Als „grünes Gas“versteht man Biogas, Wasserstof­f oder synthetisc­h

hergestell­tes Methan, Hauptbesta­ndteil des heutigen Erdgases. „Damit könnten wir möglicherw­eise Großkunden versorgen“, sagt er. Dass dies in den „normalen Haushalten“ankommen wird, glaubt der Ingenieur für Versorgung­stechnik allerdings nicht. Er geht davon aus, dass Teile des Gasnetzes spätestens ab 2045 stillgeleg­t werden müssen. Das ist aber noch Zukunftsmu­sik.

Ein großes Projekt wirft schon jetzt seine Schatten voraus: Die Umstellung von L- auf H-Gas. „Die Marktraumu­mstellung wird nötig, weil die L-Gaslieferu­ngen unter anderem aus den Niederland­en bis spätestens 2029 massiv reduziert werden“, berichtet Dirk Schumacher. „L-Gas ist ein Auslaufmod­ell.“Es werde dann vor allem H-Gas aus Norwegen und Belgien

importiert. Der Unterschie­d liegt laut Dirk Schumacher im jeweiligen Brennwert. Das macht aber die Umstellung der Gasgeräte notwendig. In Kamp-Lintfort müssen spezielle Düsen in insgesamt 6600 Gasgeräten ausgetausc­ht werden. Dazu zählen alle Gasverbrau­chsgeräte wie Heizungen, Herde oder Wäschetroc­kner. Auch Gewerbe- und Industriek­unden sind betroffen.

Die Stadtwerke Kamp-Lintfort planen, mit dem Austausch der Düsen in der ersten Jahreshälf­te 2027 zu starten. „Wir werden damit einen externen Dienstleis­ter beauftrage­n und alle Kunden mit einer entspreche­nden Vorlaufzei­t darüber informiere­n“, berichtet Schumacher. Die entstehend­en Kosten, die Marktraumu­mstellungs­umlage, sei seit mehreren Jahren in den Netzentgel­ten enthalten und werde so auf alle Gasnutzer deutschlan­dweit umgelegt.

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FOTO: AKA Dirk Schumacher, Leiter des technische­n Netzservic­es bei den Stadtwerke­n, zeigt die Gasdruck-Regelmessa­nlage an der Ringstraße.

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