Rheinische Post - Xanten and Moers
Babyklappen retten immer wieder Leben
In Duisburg gibt es stadtweit inzwischen zwei Babyklappen, in die verzweifelte oder überforderte Mütter ihr Neugeborenes nach der Geburt legen können. Wo es sie gibt und welche Probleme sie haben.
Bevor sie ihr Baby in heller Aufregung wegwerfen, gar umbringen, gibt es in Duisburg zwei Babyklappen. Mütter in Not, die überfordert, krank, in extremen Nöten sind, finden einen Rettungsanker im Norden am Helios St.-JohannesKrankenhaus und einen im Süden beim Sana-Klinikum.
Dass es am Sana-Klinikum eine solche Babyklappe gibt, mag sich noch nicht so herumgesprochen haben. Sie wurde erst 2020 während der Corona-Pandemie eröffnet, in den vergangenen zwei Jahren hat eine Mutter hier ihr Baby retten lassen.
Im Norden legte in den vergangenen zwei Jahren keine Mutter ihr frisch geborenes Baby hinein. Die Babyklappe am Helios gehört zu den ältesten in Deutschland und konnte bislang 23 Säuglingen das Leben retten. „Eines pro Jahr“, sagt Peter Seiffert, der die Einrichtung damals als Chefarzt initiierte und heute noch als Senior Consultant in der Kinderklinik tätig ist. Bei drei
Kindern gelang eine Rückführung, 20 wurden adoptiert. Keines von ihnen war fachgerecht abgenabelt, viele in Hunde- oder Katzendecken gewickelt, die Käseschmiere noch am Leib.
Die Lage der Babyklappe ist nach den massiven Umbauten des Krankenhauses und der Verlegung des Haupteingangs nicht mehr so günstig. Früher war sie am Hintereingang, jetzt ist die Babyklappe in die Nähe der Taxistände geraten. Zwar ist eine Sichtschutzwand vor der Klappe, aber der Weg dorthin ist einsehbar – keine gute Situation für eine Mutter, die unbeobachtet sein will, die womöglich in Panik ist, die ihr Kind alleine entbunden hat und zumindest so weit klar denken kann, dass das Baby hier in Sicherheit sein kann.
Peter Seiffert, ehemaliger Chefarzt, hat schon Ideen, wohin die Klappe verlegt werden müsste, damit Mütter sich unbeobachtet fühlen. Das sei baulich ein größeres Unterfangen, „aber wer realistisch denkt, der weiß, dass da was passieren muss“. Für ihn ist die Babyklappe
eine „lebensrettende Zwischenstation“. Auf die Babyklappe zu verzichten, hält er nicht für klug, da die Alternative der vertraulichen Geburt von Anfang an nur selten angenommen worden sei, in den vergangenen drei Jahren gab es genau
eine, erläutert Peter Seiffert.
Bürokratisch sei sie nicht ganz unkompliziert, weil man über eine Beratungsstelle seine Identität hinterlegen muss und das Kind sie nach 16 Jahren erfragen kann. Die Klientel, die in der Lage sei, auf dieses
Angebot zuzugreifen, könne man auch mit Beratung erreichen und dazu bringen, zum Beispiel eine Adoption in Erwägung zu ziehen, glaubt der ehemalige Chefarzt.
Professor Thorsten Rosenbaum vom Sana berichtet, dass es zuvor und auch seit Einrichtung der Babyklappe vertrauliche Geburten im Haus gegeben habe. Mit der Position der noch recht neuen Klappe scheint das Haus zufrieden zu sein, es gibt jedenfalls keine Überlegungen für einen anderen Platz, lässt der Chefarzt ausrichten. In den vergangenen Jahren machte Duisburg immer mal wieder Schlagzeilen, weil Babys tot gefunden wurden. Eines lag im Gebüsch im Baerler Wald, der Fall wurde im Rahmen von Cold-Case-Ermittlungen neu aufgerollt. Gesucht wird auch weiterhin nach der Mutter von „Baby Mia“: Der Leichnam wurde in einem Altkleidercontainer in Polen gefunden, geboren wurde er aber in Duisburg.
Im Rahmen der Ermittlungen stieß die Polizei auf einen weiteren toten Säugling, der im Kleiderschrank einer 36-jährigen Frau aus Rumeln lag. Die mehrfache Mutter wurde inzwischen wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, nachdem sie neun Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte.
Eine 21-Jährige wurde 2011 zu acht Jahren Haft verurteilt, nachdem sie ihr Neugeborenes erwürgt und in einem Park abgelegt hatte. Mindestens zwei Drittel der Kindstötungen sollen laut Statistiken von Müttern verübt werden. Und bis zu zehn Prozent aller plötzlichen Kindstode könnten tatsächlich eine Kindstötung sein.
Seit 2014 können Frauen in Krankenhäusern vertraulich entbinden. Bundesweit haben 536 Frauen bis einschließlich 2018 davon Gebrauch gemacht. Nur in den wenigsten Fällen wurde die Anonymität im Nachhinein aufgehoben. Wie viele Frauen in den vergangenen Jahren landes- oder bundesweit dieses Angebot nutzen, kann weder das Statistische Landesamt IT.NRW beantworten noch das Deutsche Jugendinstitut. Auch die Nutzung von Babyklappen wird nicht zentral erhoben. Dazu passt, dass es laut Seiffert auch keine Vernetzung unter den Häusern gibt, die das Angebot vorhalten. Er bedauert diesen fehlenden Austausch.