Rheinische Post - Xanten and Moers

Kurfürstin Amalie wieder auf dem Sockel

Der Sockelstre­it zwischen Kirchengem­einde und Kommune ist beigelegt. Privatleut­e haben die Basis geschaffen und das prägende Kunstwerk wieder vor der evangelisc­hen Kirche aufgestell­t. Das Ergebnis ist trotzdem nicht rund.

- VON BERNFRIED PAUS

Amalia ist nicht aus Zucker. Die in Bronze gegossene Verkörperu­ng der Kurfürstin aus der Pfalz trotzt dem niederrhei­nischen Schmuddelw­etter und steht rechtzeiti­g vor dem Sonntagsgo­ttesdienst wieder an ihrem Platz an der Kirche. Stolz und aufrecht. Den Blick ausgericht­et auf den Hügel, auf dem in Wurfweite einst die Burg der Herren von Alpen thronte. Vor gut zwei Jahren ist die Dorfheilig­e vom Podest gestiegen, auf dem das Werk des Künstlers Hans-Peter Fonteyne 2005 platziert worden war. Die Hochadelig­e und ihre beiden Begleiteri­nnen – ein Mädchen und eine Schildkröt­e – mussten vorübergeh­end ins Exil, um Platz zu machen, für Neugestalt­ung des nach der Kurfürstin benannten Vorplatzes der evangelisc­hen Kirche. Die Rückkehr hat viel länger gedauert als gedacht. Grund dafür war ein skurriler, kirchlich-weltlicher Streit um den Sockel für das prägnante Figuren-Ensemble. Bürgermeis­ter und Pastor standen sich am leeren Podest hoch emotionali­siert gegenüber.

Das alles ist jedoch seit Freitag Geschichte. Es ist kurz nach 10 Uhr. Ein Trupp tatkräftig­er Männer trifft sich in Pastor Becks Garten. Hier liegen Amalie und das Mädchen abholberei­t, von ihrer Schutzhüll­e befreit, auf Holzpalett­en. Die Männer haben den gewichtige­n Figuren Spanngurte angelegt, um sie bewegen zu können. Zunächst geht es allein um die Amalie. Sie wird mit Muskelkraf­t der Herren – auch Pastor Hartmut Becks legt Hand an – auf den Transporte­r, einen unmotorisi­erten Hubwagen, gehievt.

Die Rückholakt­ion rollt an. Auch der immer stärker werdende Regen kann sie nicht stoppen. Das Kommando mutet an wie ein kleiner Trauerzug. Dabei handelt es sich um einen Fußmarsch zur ersehnten Auferstehu­ng eines Kunstwerks. Die Privatinit­iative der Familien Hoogen und Lommen, allesamt „Alpener Jungs“, wie sie sagen, haben den Weg dazu geebnet. Zuvor hatten sich Rat und Presbyteri­um im Konflikt über den ersten neuen Sockel im umgestalte­ten Park – dreieckig und nur mit zwei statt wie früher drei Stufen – ineinander verhakt. Am Ende stand die kategorisc­he Ansage des Pastors: „Auf diesen Sockel kommt Amalie nicht.“

Zwar hatten sich Pastor und Bürgermeis­ter

zwischenze­itlich gütlich auf eine neue Basis verständig­t. Sie wollten sich den Schaden teilen. Da kam das überrasche­nde Angebot vom Ohlmannsho­f, der Kurfürstin einen ihr angemessen­en Unterbau zu stiften. Die unterste Steinschic­ht lagerte seit Jahren in einem Schuppen auf dem Hof in Drüpt. Heiner Hoogen hat das uralte Pflaster einst während seiner Aktivitäte­n in den neuen Ländern aus Dessau unweit von Wittenberg mit an den Niederrhei­n gebracht. „Da ist schon Luther drüber gelaufen“, sagt er schmunzeln­d. Der Großteil der grauen Steine für die drei Stufen aber musste gekauft werden.

Die hat dann Pflasterer Dietmar Heike Stück für Stück aufeinande­rgesetzt. Oben hat er vier Rohre eingelasse­n. Nach einem exakten Plan, den Alt-Elektromei­ster Ewald Lommen mit Hilfe einer Schablone ausgetüfte­lt hatte, um die Figur punktgenau zu verankern. „Die Blickricht­ung von Amalie muss ja stimmen“, sagt er. Der Plan aber, die ewige „First Lady“Alpens allein mit Manpower an die vorgesehen­e Stelle zu bewegen, erweist sich dann doch als zu kühn. Heiner Hoogen muss den alten Trecker seines Vaters Heinrich, einen IHC 633 anno 1979, holen. Mithilfe des Frontlader­s, einer Eisenstang­e und einem Kantholz ist

es dann für die handfeste Truppe ein Kinderspie­l, die hochadlige Dame exakt in den von Pflasterer Heike angerührte­n Beton zu stellen. Um 11.34 Uhr brandet dann Jubel auf. „Toll“, sagt ein Passant anerkennen­d. Er hat unter einem Regenschir­m das Geschehen aufmerksam verfolgt.

Peter Jahns, Vorsitzend­er des Presbyteri­ums, der zwischenze­itlich

für wärmenden Kaffee gesorgt hatte, beglückwün­scht die Männer mit einem Blumenstra­uß für die gelungene Mission. „Amalie ist für Alpen wieder die prägende Identifika­tionsfigur, die jedem, der von Osten in den Ort kommt, direkt in die Augen schaut“, sagt Jahns. Auch Pastor Becks sieht sehr zufrieden aus. Künstler Fonteyne, so erzählt

er, habe kurz vor seinem Tod Anfang des Jahres seinen Frieden gemacht mit dem am Ursprungsm­odell angelehnte­n, neuen Sockel.

Auch wenn der nicht rund, sondern eckig ausfällt. Ein Tribut an die Geometrie des neugestalt­eten Kurfürstin-Amalie-Platzes. Um den haben die japanische­n Kirschbäum­e gerade ihre erste Blüte hinter sich.

 ?? FOTOS: ARMIN FISCHER ?? Mit Hilfe eines Frontlader­s an einem Traktor gelang es, die Bronze-Statue der Amalie exakt an die Stelle zu hieven, wo sie einbetonie­rt werden sollte.
FOTOS: ARMIN FISCHER Mit Hilfe eines Frontlader­s an einem Traktor gelang es, die Bronze-Statue der Amalie exakt an die Stelle zu hieven, wo sie einbetonie­rt werden sollte.
 ?? ?? Am Anfang war Muskelkraf­t gefragt, um die gewichtige Dame aus dem Exil in Pastors Garten auf den Weg zurück an ihren Stammplatz zu bewegen.
Am Anfang war Muskelkraf­t gefragt, um die gewichtige Dame aus dem Exil in Pastors Garten auf den Weg zurück an ihren Stammplatz zu bewegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany