Rheinische Post - Xanten and Moers
Ein Finale mit dem frechen F
Seit 18 Jahren bringt das Kinder- und Jugendmusikfestival junge Menschen durch Musik und Tanz zusammen. Beim diesjährigen Familienkonzert wurde „Ludwig und das freche f“uraufgeführt, das die Geschichte einer sprechenden Klaviertaste erzählt. Wann man das
Mit Musik und Tanz die Sicht auf die Welt verändern – das ist das Anliegen des Kinder- und Jugendmusikfestivals. Rund 9000 junge Menschen hat das durch Spenden und Sponsoren finanzierte Festival in den vergangenen 18 Jahren auf die Bühne gebracht, berichtet Organisatorin Jeannette von der Leyen.
Nach einem Mitmachkonzert für angemeldete Schulen und einer Projektwoche für die Gesamtschule Niederberg lockte das sonntägliche Familienkonzert, zu dem Bürgermeister Christoph Landscheidt rund 500 kleine und große Zuhörer in der Stadthalle begrüßte, mit der Welt-Uraufführung des Singspiels „Ludwig und das freche f“. Die Geschichte, die der Musiker und Komponist Philipp Matthias Kaufmann eigens für das Festival geschrieben hat, erzählt von einer Melodie, die Ludwig van Beethoven als Ohrwurm durch den Kopf saust. Er setzt sich an seinen Flügel und haut eine virtuose Variation der Melodie in die Tasten. Da hört er plötzlich eine Stimme: „Heh, bist du bescheuert? Ständig hackst du auf mir rum!“
Moderator Jörg Lengersdorf, der natürlich weder an Geister noch an sprechende Klaviersaiten glaubt,
führt das Publikum durch die Geschichte. Die eigentlichen Hauptdarsteller sind natürlich die kleinen Akteure auf der Bühne, die zeigen wollen, was sie seit Januar geprobt haben. „Die Schule hat alle Lieder, Noten und Texte zum Einstudieren bekommen und hat alles selbstständig mit den Kindern erarbeitet“, so von der Leyen. Nachdem die Generalprobe noch „reichlich wuselig“war, läuft beim großen Auftritt alles (oder doch fast alles) wie am Schnürchen. Vom Ohrwurm-Lied bis zum Disco-Sound wird eine verrückte Idee des „Frechen F“nach der anderen umgesetzt.
Ob fröhlich oder melancholisch – immer klingt die Melodie durch,
die jeder bald mitsingen und pfeifen kann und in der Klassikfans längst das Finalthema aus Beethovens Gassenhauer-Trio op. 11 erkannt haben, in dem der Komponist einen Ohrwurm – oder, wie es damals hieß – Gassenhauer des Opernkomponisten Joseph Weigl variiert hat. „Das Schöne an dem Singspiel von Ludwig und dem ‚Frechen F’ ist, dass es auf dem echten Gassenhauer-Trio basiert,“erklärt der Künstlerische Leiter des Festivals, Alexander Hülshoff. „Durch die fantastische Geschichte, dass die Taste „F“zum Leben erweckt und zum lustigen Gegenspieler von Beethoven wird, entsteht spielerisch ein Blick in die Komponistenwerkstatt des großen
Komponisten. Die Kinder werden Teil seines schöpferischen kompositorischen Schaffens, auch wenn einige Variationen weit in die Zeit von heute reichen, die Beethoven, obwohl ein Visionär, sicher nicht so komponiert hätte.“
Das trifft vor allem für die Ragund Disco-Versionen zu, mit denen die Kinder die Wände wackeln lassen. „Wir klatschen groovy in die Hände, denn schlechte Laune ist uns fremd“, schmettert es lauthals durch die Halle. Instrumental unterstützt werden die kleinen Akteure von drei engagierten und mit viel Humor agierenden Profi-Musikern: Ievgeniia Iermachkova am Flügel, Nikita Volkov an der Klarinette und
Alexander Hülshoff, der als Cellist schon bei der Generalprobe ordentlich Vorschusslorbeeren von einem der Schulkinder ernten durfte: „Ich finde, du spielst prima Cello. Ich kann das beurteilen, ich spiele nämlich auch Cello.“
Zum Schluss gibt es noch mal das Ohrwurm-Lied als Ständchen für Geburtstagskind Tom. Auf dem Heimweg hört man die Melodie aus vielen kleinen und großen Mündern: „Ich hab ein’ Ohrwurm, der wie ein Bohrturm sich in die Ohren schraubt und mir die Töne raubt…“Jetzt hofft Hülshoff, dass das Thema in den Herzen der Kinder bleibt als Keimzelle für all Ihre künstlerischen Aktivitäten in den kommenden Jahren.
Der Anfang ist jedenfalls gemacht. Wer auf den Geschmack gekommen ist, hat im Juli in den offenen Proben des Kammermusikfests Kloster Kamp beste Gelegenheit, klassische Musik live zu erleben. Da müssen kleine Zuhörer nicht die ganze Zeit still sitzen bleiben und können sich auf nahe gelegenen Spielplätzen zwischendurch auch mal austoben. Beste Bedingungen also für Musik als Familienerlebnis und einen ungezwungenen Zugang zur klassischen Musik, mit oder ohne Ohrwurm und ‚Freches F’.