Gabriele Henkel berichtet von ihren Reisen in die New Yorker Kunstszene.
Die Düsseldorfer Kunstsammlerin und Honorarprofessorin auf ihrem Weg durch die New Yorker Kunstlandschaft. In Museen und Galerien macht sie Station. Am stärksten ist sie beeindruckt von der Picasso-Schau im Guggenheim.
NEW YORK Das Metropolitan Museum am Saum des Central Parks ist zweites Zuhause für Tausende von New Yorkern, insbesondere am Wochenende. Die neu eröffneten Galerien „Islamische Kunst“: orientalische Anmut – die Formen der gläsernen Mameluken-Gefäße. Jahrhundertelange handwerkliche Erfahrung – das gilt für Kalligraphien, Keramiken, Holzarbeiten und farbige große Teppiche. Gedämpftes Licht; Kosmos einfacher und raffinierter Formen und Objekte. Gerade zur Zeit des „Arabischen Frühlings“bedeutet der Besuch der Islamischen Abteilung mit Arbeiten von Südspanien bis Indien Überraschung, Freude, vielseitig Trost. Die täglichen Berichte von Bürgerkriegen dringen nicht in die Räume der islamischen Welt.
Das Metropolitan Museum war seit seiner Gründung 1870 enzyklopädisch angelegt. Die Vielfalt der neu gegliederten Räume bestätigt dies auf überzeugende Weise. In 15 Galerien stellt das Museum herrliche Arbeiten vor. Aus 13 Jahrhunderten märchenhafte Objekte, ungewöhnliche Ensembles. Sie zeigen überzeugend Kultur und Vielseitigkeit der islamischen Kunst; sie strahlte von Andalusien bis Indien. Kunstgewerbe ist nicht kriegerisch.
Die Sammlung in subtilem Licht umfasst 12 000 Artefakte. Man be- wundert monumentale und kleine Teppiche, Arbeiten auf Papier, Glasund Metallobjekte, Bücher des Koran, Miniaturen von den Höfen der arabischen Welt, osmanische Türkei, Persien und Moghul-Indien sowie Gemälde des kaiserlichen Shah Jahan Album, erarbeitet für den Erbauer des Taj Mahal, und architektonische Elemente mit einem Plan für ein Mihrab, Gebetsnische aus Isfahan mit Fliesen, mit Ausrichtung auf Mekka. Die Abteilung umfasst die arabischen Länder Umayyaden und die Abbasiden Periode, 7. bis 13. Jahrhundert, Hauptstadt Damaskus und Bagdad. Unvorstellbar, wie gnadenlos Kunst in den tobenden Bürgerkriegen zerstört wird, einst als das „goldene Zeitalter der Kreativität“bezeichnet. Die vorislamischen künstlerischen Traditionen von Rom, Byzanz und Persien sind genauso gefährdet. Herrschern und Rebellen scheint Kulturverlust gleichgültig zu sein. Im Irak war es nicht anders. Man denke an das geplünderte Museum. Die Galerien bringen Authentizität, Nostalgie und diskreten Glanz in eine Abteilung der Weltkulturen.
Der renommierte Kunsthändler Michael Werner hat seine Galerie in der 77. Straße, in einem „Townhouse“. Dort hatte der unvergessene Leo Castelli seine erste Galerie. Werner zeigte unlängst späte Arbeiten von Ernst Wilhelm Nay, Meister und Guru der 1950er und 1960er Jahre. Preise in den Hunderttausenden. Ruhm war in den 50er und 60er Jahren erreicht. Befreit vom Diktat des Dritten Reiches malte Nay grosse Formate. Er starb 1968 in Köln. Nay war mit den Musikern Stockhausen und John Cage befreundet, was für ihn und den Zeitgeist spricht.
In der Gagosian Gallery Uptown auf der Madison Avenue erwartet den Besucher, der nicht nach Millionen Dollar aussieht, die gewohnt unfreundliche Haltung der jungen Damen am Empfang. Jeder Raum wird von einem schwarzen Aufpasser bewacht; als wenn Besucher Arbeiten von Künstlern wegtragen könnten wie ein Butterbrot. In Manhattan läuft in zehn Kinos der Film „Diana Vreeland“. Sie war jahrzehntelang Redakteurin von „Harper’s Bazaar“, von 1962 bis 1972 Chefre- dakteurin der amerikanischen „Vogue“. Jede Ausgabe: frisch, wild, ungewöhnlich. Ihr Lieblingsmodell bei „Vogue“war „Veruschka“. Ungeschminkt, ohne Eitelkeit spricht Veruschka im Film über ihre „Chefin“. Oscar de la Renta, Hubert de Givenchy und andere Zeitgenossen kommen zu Wort. Ein Besuch von Diana Vreeland bei uns in Düsseldorf unvergesslich; wie sie zu uns fand, weiß ich nicht.
Picasso – Triumph in Schwarz und Weiß – im Guggenheim-Museum. Schwarz und Weiß klingt reduziert und spanisch. In der unvergleichlichen Ausstellung, gefördert von der „Bank of America“, ein normaler Museumstag: tausende von Besuchern, wahrscheinlich kennen viele Picasso nicht wirklich. Die erste Begehung: umwerfend. Wie wir wissen, eignet sich die Rotunde von Frank L. Wright nur bedingt für Malerei. Bei Picasso funktioniert es. Das Thema Schwarz und Weiß gilt für alle Arbeiten, ob Zeichnungen, Gemälde und Bronzen. Marie-Thérèse war ein besonderes Wesen, vermutlich die einzige Frau – sie war ein Mädchen von 18 Jahren, als er sie Anfang der 30er Jahre kennen lernte –, die er wirklich geliebt hat. Wie hat sie wohl auf eine Bronze von ihrem Kopf mit einem Phallus als Nase reagiert? Unmöglich, die Phantasie von Picasso zu begreifen.
Gelegentlich kommt die Frage: Hat er am Glück des Lebens mit seinem Werk, außer durch seine Frauen, teilgehabt? Gegen eine Jahrtausend-Malerei anzutreten: Er hat es geschafft. Picasso hatte als Spanier eine tiefe Beziehung zur Zeichnung und als Maler zu Schwarz und Weiß. Es ist die erste und wahrhaft überwältigende Ausstellung, die sich dem Thema widmet. In Picassos spanischer Jugend gibt es viele Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Zu seiner zweiten Ehefrau Jacqueline hat er einmal geäußert „Du vergisst, dass ich Spanier bin und die Traurigkeit liebe“. Wenngleich die lebhafte Farbigkeit dieser Ausstellung fehlt, so hat der Zuschauer genug zu schauen in den Nischen der eigenwilligen Museumsarchitektur. Die Ausstellung reist weiter nach Houston, Texas. Das Gehäuse, gebaut von Renzo Piano, finanziert von der Familie de Menil, zeigt stets bedeutende Ausstellungen. Dort wird der große Pablo sicher anders, aber bestens präsentiert werden.