Mit Park Geun Hye erobert die Tochter eines einstigen Diktators das oberste Staatsamt.
SEOUL/DÜSSELDORF Es war ein Zittersieg, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr: Mit hauchdünner Mehrheit wurde Park Geun Hye zur neuen Präsidentin Südkoreas gewählt. Erstmals wird Asiens viertgrößte Wirtschaftsmacht damit von einer Frau geführt.
Für die 60-jährige Konservative bedeutet ihr Wahlsieg zunächst einmal die Rückkehr an einen ihr wohlvertrauten Ort: Fast zwei Jahrzehnte hat sie bereits im „Blauen Haus“gelebt, dem Amtssitz des Präsidenten. Es war die Zeit, als Park Geun Hyes Vater das Land mit eiserner Faust regierte. Von 1961 bis 1979 führte General Park Chung Hee in Seoul eine Militärdiktatur an. Dieser Aspekt ihrer Familiengeschichte hat Park Geun Hye im Wahlkampf indes nicht geschadet – im Gegenteil.
Denn der Putsch-General ist den meisten Südkoreanern heute weniger als Diktator in Erinnerung denn als Vater des südkoreanischen Wirtschaftswunders. Prompt borgte sich die Tochter für ihren Wahlkampf die wichtigste politische Parole des Herrn Papa: „Lasst uns gut leben!“Unvergessen ist, wie sich unter Park Chung Hees Führung das vom Koreakrieg ausgeblutete, ärmliche Agrarland binnen weniger Jahre zu einer wettbewerbsstarken Exportund Hightech-Nation mauserte. Dass dafür die Demokratie ebenso mit Füßen getreten wurde wie Arbeitnehmerrechte, ist in den Hintergrund getreten. Park Geun Hye hat sich zwar schon vor Jahren für die Menschenrechtsverletzungen während der Herrschaft ihres Vaters entschuldigt, mochte dessen Politik aber dennoch nicht in Bausch und Bogen verurteilen. Noch im Sommer erklärte sie, der Militärputsch von 1961 sei die damals „bestmögliche Option“gewesen.
Park Geun Hyes Berater schafften es im Wahlkampf, das Image der „Diktatorentochter“zu verdrängen und die Kandidatin als perfekt vorbereitete Präsidentin zu verkaufen. Da ist durchaus etwas dran. Denn das Schicksal hat Park Geun Hye schon früh auf die politische Bühne katapultiert. 1974 wurde ihre Mutter von nordkoreanischen Agenten bei einem Anschlag getötet. Die junge Frau übernahm damals mit nur 22 Jahren praktisch die Rolle der First Lady und trat an der Seite ihres Vaters auf. „Ich versuchte von ganzem Herzen, meine Pflichten zu erfüllen, als die Augen der Koreaner auf mich gerichtet waren“, sagt sie über diese Zeit. Einige Jahre später traf sie dann ein weiterer Schicksalsschlag, als ihr Vater 1979 von seinem eigenen Geheimdienstchef erschossen wurde. Nach seinem Tod verschwand Park Geun Hye für etliche Jahre aus der Öffentlichkeit.
Eigentlich ist es fast ein Wunder, dass Park Geun Hye heute wieder im Rampenlicht steht. Denn anders als ihrem Vater fehlt ihr jedes Charisma. Die unverheiratet und kinderlos gebliebene Park gilt als klug und prinzipientreu, aber eben auch als distanziert und kühl. Einer ihrer Spitznamen lautet „Prinzessin der Notizbücher“, weil sie ihre Antworten meist auf vorbereiteten Zetteln zusammensuchen muss und ihre Reden grundsätzlich abliest.
Daran stießen sich die Wähler am Ende aber offenbar ebenso wenig wie an der familiären Vergangenheit der künftigen Präsidentin. Die weiß, dass sie in schwieriger Zeit antritt. Das an den Dauer-Boom gewöhnte Land hatte zuletzt ökonomische Schwierigkeiten. Park versprach im Wahlkampf vor allem mehr Jobs und soziale Wohltaten. Sie will auch etwas gegen die Sorgen unternehmen, die viele Koreaner heute am meisten plagen: die ausufernde Verschuldung der Privathaushalte, die explodierenden Bildungskosten für den Nachwuchs und die um sich greifende Altersarmut in einer Gesellschaft, der während der Boomjahre die alten Strukturen der Generationensolidarität teilweise abhanden gekommen sind.
Die ökonomischen Themen hatten den Wahlkampf dominiert, doch kurz vor der Abstimmung rief der weltweit verurteilte Raketentest im benachbarten Nordkorea den Südkoreanern die wohl wichtigste Herausforderung für die kommende Regierung in Erinnerung: Wie umgehen mit dem unberechenbaren und vor Waffen starrenden Paria-Staat im Norden der Halbinsel? Von Park Geun Hye heißt es, dass sie an einer Annäherungspolitik interessiert sei, auch wenn solche Versuche in der Vergangenheit von der Kim-Diktatur stets nur zu weiterer Aufrüstung ausgenutzt wurden. Ein Treffen mit Nordkoreas neuem Despoten Kim Jong Un wäre freilich eine starke Geste – schließlich hatte dessen Großvater den Anschlag in Auftrag gegeben, dem einst Park Geun Hyes Mutter zum Opfer fiel.