Ex-porsche-chef droht Haftstrafe
Wendelin Wiedeking soll bei der Schlacht um VW die Aktionäre getäuscht haben. War Ex-präsident Christian Wulff informiert?
STUTTGART Der westfälische Dickkopf mit einer Schwäche für historische Traktoren wäre vor vier Jahren beinahe mächtigster Automanager der Welt geworden. Jetzt klagt die Staatsanwaltschaft Stuttgart ExPorsche-Chef Wendelin Wiedeking wegen angeblicher Kursmanipulationen an. Damit drohen dem 60Jährigen bis zu fünf Jahre Haft.
Laut Staatsanwaltschaft hat Wiedeking den Aktienmarkt vor vier Jahren gemeinsam mit seinem Finanzchef Holger Härter getäuscht. Am 26. Oktober 2008 kündigte der Sportwagenbauer die Übernahme des damals 15-mal größeren Volkswagenkonzerns an, zuvor ließen Wiedeking und Härter einen solchen Plan aber im Frühjahr und im Sommer 2008 „in mindestens fünf öffentlichen Erklärungen“dementieren, wie die Strafverfolger herausgefunden haben wollen. Sie stützen sich unter anderem auf Aktenfunde, die sie bei einer Razzia am PorscheStammsitz in Zuffenhausen gemacht haben.
Entstand der Plan für die spektakuläre Übernahme von VW erst nach diesen Dementis? Also zwischen dem letzten Dementi vom Sommer 2008 und der offiziellen Ankündigung im Oktober 2008? Oder wollten Wiedeking und Härter mit ihren Dementis lediglich verhindern, dass die VW-Aktie – wie bei Opfern von feindlichen Übernahmen üblich – in die Höhe schießt und die Übernahme unbezahlbar wird? Die Anwälte der beiden Manager wiesen die Vorwürfe gestern zu- rück. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Landgericht Stuttgart die Klage Anfang kommenden Jahres zulassen wird.
Nach Informationen unserer Zeitung könnte der Prozess auch den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) in neue Bedrängnis bringen. „Es ist möglich, dass Herr Wulff als Zeuge vernommen wird“, hieß es gestern in Kreisen der Stuttgarter Justiz. Hintergrund ist ein interner Aktenvermerk aus der niedersächsischen Staatskanzlei, dessen Existenz und Inhalt ein Mitarbeiter der Staatskanzlei gestern auf Anfrage bestätigt hat. Der Mitarbeiter will nicht genannt werden. Der damalige Chef der Wirtschaftsabteilung der Staatskanzlei, Mathias Middelberg, hat in dem Vermerk an seinen Chef demnach schon im Februar 2008 mitgeteilt, dass Porsche die Übernahme von bis zu 80 Prozent der VW-Anteile anstrebe. Dieser Chef war damals der niedersächsische Ministerpräsi- dent Christian Wulff. „Mittelfristiges Ziel von Porsche ist der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags”, für den Porsche „in der Regel 75 Prozent, hier gegebenenfalls 80 Prozent” der VW-Stammaktien benötigte, so der Vermerk Middelbergs an Wulff.
Das Schreiben könnte nicht nur belegen, dass Porsche die Übernahme von VW tatsächlich schon früher als öffentlich zugegeben geplant hat. Es wäre auch Anlass für Fragen an Christian Wulff, der damals im Aufsichtsrat von VW saß und die Aufsicht von Europas größtem Autokonzern über den Vermerk unter Umständen besser hätte informieren sollen. Im Frühjahr 2008 gab es mehrere Gespräche zwischen der Staatskanzlei und führenden Porsche-Managern. Der Mitarbeiter der Staatskanzlei ließ gegenüber unserer Zeitung offen, ob der Vermerk ein solches Gespräch oder eine Spekulation Middelbergs zusammengefasst hat. Wulff war für eine Stellungnahme gestern nicht zu erreichen. Ob er den Vermerk kannte, ist offen.
Mit der Klage gegen Härter und Wiedeking beginnt das letzte Kapitel der bislang spannendsten deutschen Wirtschaftsgeschichte. Wiedeking hatte Porsche in den 1990er Jahren vor der Pleite gerettet. Er machte die Firma so profitabel, dass Porsche Ende 2008 fast die Hälfte der VW-Stammaktien sowie Optionen auf weitere 31,5 Prozent besaß. Auf der Zielgraden hatte Wiedeking sich verhoben. Heute gehört Porsche zu Volkswagen.
FRANKFURT/MAIN
ATHEN