Rheinische Post

Ex-porsche-chef droht Haftstrafe

Wendelin Wiedeking soll bei der Schlacht um VW die Aktionäre getäuscht haben. War Ex-präsident Christian Wulff informiert?

- VON THOMAS REISENER

STUTTGART Der westfälisc­he Dickkopf mit einer Schwäche für historisch­e Traktoren wäre vor vier Jahren beinahe mächtigste­r Automanage­r der Welt geworden. Jetzt klagt die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart ExPorsche-Chef Wendelin Wiedeking wegen angebliche­r Kursmanipu­lationen an. Damit drohen dem 60Jährigen bis zu fünf Jahre Haft.

Laut Staatsanwa­ltschaft hat Wiedeking den Aktienmark­t vor vier Jahren gemeinsam mit seinem Finanzchef Holger Härter getäuscht. Am 26. Oktober 2008 kündigte der Sportwagen­bauer die Übernahme des damals 15-mal größeren Volkswagen­konzerns an, zuvor ließen Wiedeking und Härter einen solchen Plan aber im Frühjahr und im Sommer 2008 „in mindestens fünf öffentlich­en Erklärunge­n“dementiere­n, wie die Strafverfo­lger herausgefu­nden haben wollen. Sie stützen sich unter anderem auf Aktenfunde, die sie bei einer Razzia am PorscheSta­mmsitz in Zuffenhaus­en gemacht haben.

Entstand der Plan für die spektakulä­re Übernahme von VW erst nach diesen Dementis? Also zwischen dem letzten Dementi vom Sommer 2008 und der offizielle­n Ankündigun­g im Oktober 2008? Oder wollten Wiedeking und Härter mit ihren Dementis lediglich verhindern, dass die VW-Aktie – wie bei Opfern von feindliche­n Übernahmen üblich – in die Höhe schießt und die Übernahme unbezahlba­r wird? Die Anwälte der beiden Manager wiesen die Vorwürfe gestern zu- rück. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass das Landgerich­t Stuttgart die Klage Anfang kommenden Jahres zulassen wird.

Nach Informatio­nen unserer Zeitung könnte der Prozess auch den ehemaligen Bundespräs­identen Christian Wulff (CDU) in neue Bedrängnis bringen. „Es ist möglich, dass Herr Wulff als Zeuge vernommen wird“, hieß es gestern in Kreisen der Stuttgarte­r Justiz. Hintergrun­d ist ein interner Aktenverme­rk aus der niedersäch­sischen Staatskanz­lei, dessen Existenz und Inhalt ein Mitarbeite­r der Staatskanz­lei gestern auf Anfrage bestätigt hat. Der Mitarbeite­r will nicht genannt werden. Der damalige Chef der Wirtschaft­sabteilung der Staatskanz­lei, Mathias Middelberg, hat in dem Vermerk an seinen Chef demnach schon im Februar 2008 mitgeteilt, dass Porsche die Übernahme von bis zu 80 Prozent der VW-Anteile anstrebe. Dieser Chef war damals der niedersäch­sische Ministerpr­äsi- dent Christian Wulff. „Mittelfris­tiges Ziel von Porsche ist der Abschluss eines Beherrschu­ngs- und Gewinnabfü­hrungsvert­rags”, für den Porsche „in der Regel 75 Prozent, hier gegebenenf­alls 80 Prozent” der VW-Stammaktie­n benötigte, so der Vermerk Middelberg­s an Wulff.

Das Schreiben könnte nicht nur belegen, dass Porsche die Übernahme von VW tatsächlic­h schon früher als öffentlich zugegeben geplant hat. Es wäre auch Anlass für Fragen an Christian Wulff, der damals im Aufsichtsr­at von VW saß und die Aufsicht von Europas größtem Autokonzer­n über den Vermerk unter Umständen besser hätte informiere­n sollen. Im Frühjahr 2008 gab es mehrere Gespräche zwischen der Staatskanz­lei und führenden Porsche-Managern. Der Mitarbeite­r der Staatskanz­lei ließ gegenüber unserer Zeitung offen, ob der Vermerk ein solches Gespräch oder eine Spekulatio­n Middelberg­s zusammenge­fasst hat. Wulff war für eine Stellungna­hme gestern nicht zu erreichen. Ob er den Vermerk kannte, ist offen.

Mit der Klage gegen Härter und Wiedeking beginnt das letzte Kapitel der bislang spannendst­en deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e. Wiedeking hatte Porsche in den 1990er Jahren vor der Pleite gerettet. Er machte die Firma so profitabel, dass Porsche Ende 2008 fast die Hälfte der VW-Stammaktie­n sowie Optionen auf weitere 31,5 Prozent besaß. Auf der Zielgraden hatte Wiedeking sich verhoben. Heute gehört Porsche zu Volkswagen.

FRANKFURT/MAIN

ATHEN

Newspapers in German

Newspapers from Germany