Rheinische Post

Aufwachsen in einer rauen Welt

„Beasts of the Southern Wild“erzählt mit ernstem Witz vom Erwachsenw­erden

- VON MARION MEYER

Im Universum hängt alles mit allem zusammen. Das Weltbild der kleinen Hushpuppy ist gleicherma­ßen komplex wie simpel. Sie lebt mit ihrem Vater in den Bayous Louisianas im Süden der USA, ständig bedroht von Stürmen und steigenden Wasserpege­ln. Hushpuppy ist ein mutiges Mädchen mit entschloss­enem Blick und Haaren, die ungekämmt zu Berge stehen. Ihr Vater ist krank, und so wie er vielleicht stirbt, stirbt auch die Welt um sie herum, die sie bisher wie ein schützende­r Wall vom Rest der Zivilisati­on getrennt hat.

Hier in Bathtub hat sich eine Horde Gestrandet­er versammelt, die in alten Wohnwagen im Wald leben, abseits von Gesetz und Gesellscha­ft. Sie ernähren sich von Krebsen und Fischen, die sie mit der Hand aus dem Fluss fangen. Und von jeder Menge Bier.

Regisseur Benh Zeitlin hat für seinen poetischen, manchmal surrealen Debütfilm mit Laien gearbeitet, was die Geschichte in Verbindung mit den grobkörnig­en Bildern authentisc­h und fast schon dokumentar­isch wirken lässt. Zu Recht wurde „Beasts of the Southern Wild“auf unzähligen Festivals, unter anderem in Cannes und Sundance, ausgezeich­net.

Jene „Biester der südlichen Wildnis“sind jedoch nicht die Menschen, die hier im Chaos hausen, sondern jene Wesen, die Hushpuppy sich erträumt, eine Art Auerochsen aus dem ewigen Eis, die wie der näher kommende Sturm herantrabe­n und sie zu verschling­en drohen. Sie flüchtet in die Welt der Fantasie, um den realen Gefahren zu entkommen.

Die damals sechsjähri­ge Quevenzhan­é Wallis spielt das wehrhafte Mädchen, durch dessen Augen man den Untergang dieser Gemeinscha­ft erlebt. Sie kommentier­t lakonisch die Ereignisse aus dem Off, mal altklug, mal weise, mal herrlich naiv.

Ihr Vater Wink (Dwight Henry), ein kranker Säufer, behandelt sie liebevoll erwachsen, dann wieder vernachläs­sigt er sie brutal und fühlt sich überforder­t von der Verantwort­ung. Als die Polizei Bathtub evakuieren will, beginnt für Hushpuppy eine Odyssee, die sie nicht zurück zu ihren Wurzeln führt, sondern hinaus ins Leben. Doch auch dort wird sie sich behaupten.

„Beasts of the Southern Wild“erinnert an Spike Jonzes „Wo die wilden Kerle wohnen“. Auch hier erträumt sich ein Kind eine Welt mit Ungeheuern, um die eigene Realität zu verdrängen. Doch Hushpuppys Welt ist nicht so schlecht, wie man vielleicht auf den ersten Blick meint. Auch wenn Schmutz und Armut regieren, findet sich in Bathtub eine solidarisc­he Gemeinscha­ft, die so manchen Sturm überleben wird.

Am Ende ziehen die Kinder von Bathtub los, die Welt zu erobern. Sich ihnen anzuschlie­ßen, scheint nicht die schlechtes­te Option. gut teils-teils

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Der Schauspiel­er Henry D. Coleman als Peter T in einer Szene des Films „Beasts of the Southern Wild“.

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